Statthafte Klageart und Klagefrist für Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO
Streitfrage
In der Sache stritten die Beteiligten über den Umfang des Auskunftsrechts nach Art. 15 DSGVO.
Sachverhalt: Angeblich keine vollständige Auskunft erteilt
Der dem Rechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt stellt sich verkürzt wie folgt dar:
- Am 25.9.2019 beantragte der Kläger beim FA Auskunft gemäß Art. 15 Abs. 1 DSGVO und Übersendung entsprechender Kopien gemäß Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Daraufhin übersandte das FA Übersichten über Grunddaten, Bescheiddaten und eDaten sowie eine tabellarische Aufstellung der gespeicherten Daten über Vollstreckungs- und Pfändungsversuche.
- Der Kläger vertrat die Ansicht, dass der Anspruch nach Art. 15 DSGVO hierdurch nicht erfüllt worden sei, und wiederholte sein Begehren. Mit Schreiben vom 4.12.2019 lehnte das FA den Antrag auf Erteilung von Kopien zu Vollstreckungsmaßnahmen ab. Eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt.
- Mit am 25. 2.2021 beim FG eingegangener Klage begehrte der Kläger, das FA zu verurteilen, Auskunft über personenbezogene Daten und Informationen im Sinne von Art 15 Abs. 1 und 3 DSGVO zu geben. Hierbei nahm der Kläger darauf Bezug, dass "eine erste Aufforderung" bereits am 25.9.2019 an das FA erfolgt sei. Aus der DSGVO ergebe sich keine Frist zur Klageerhebung. Der Berechtigte könne seinen Anspruch auf Auskunft jederzeit und wiederholt geltend machen.
- Das FG wies die Klage als unzulässig ab.
Revisionsbegründung
Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision und macht geltend, das FG habe die Klage zu Unrecht als unzulässig beurteilt. Die Klage sei an keine Frist gebunden. Auch sei kein vorheriges Verwaltungsverfahren notwendig. Es handele sich um eine Leistungsklage, da ein tatsächliches Handeln "mit Wirkung für die (jeweilige) Gegenwart" verlangt werde und keine positive Entscheidung der Behörde in Form eines Verwaltungsakts. Hilfsweise sei in der "Verweigerung der Anerkennung der Klage" durch das FA der ablehnende Verwaltungsakt zu sehen. Die Auskunftsklage nach Art. 15 DSGVO dürfe nicht durch Voraussetzungen, die an die Klageerhebung in der FGO gestellt würden, eingeschränkt werden. Art. 23 DSGVO enthalte hierzu keine Ermächtigungsgrundlage.
Entscheidung: Klage war verfristet
Der BFH hat die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Soweit der Kläger sich gegen die mit Schreiben des FA vom 4.12.2019 erfolgte Ablehnung wendet, ihm nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO Kopien zu Vollstreckungsmaßnahmen zu übersenden, ist die Klage gemäß § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 2 FGO verfristet und daher unzulässig.
Statthafte Klageart ist die Verpflichtungsklage
Statthafte Klageart für die gerichtliche Geltendmachung des gegen eine Behörde gerichteten Anspruchs aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 5 Satz 1 DSGVO auf Zurverfügungstellung einer Kopie der verarbeiteten personenbezogenen Daten ist die Verpflichtungsklage gemäß § 40 Abs. 1 Alt. 2 FGO. Gemäß § 40 Abs. 1 Alt. 2 FGO kann durch Klage die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. Verwaltungsakt ist jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist (§ 118 Satz 1 AO). Gemessen hieran ist die Auskunft nach Art. 15 DSGVO als Verwaltungsakt zu qualifizieren.
Frist zur Klageerhebung beträgt einen Monat und beginnt mit Bekanntgabe der Ablehnung
Die Verpflichtungsklage ist jedoch verfristet. Wenn der Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts abgelehnt worden ist, beträgt die Frist für die Erhebung der Verpflichtungsklage nach § 47 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 FGO einen Monat. Da gemäß § 32i Abs. 9 Satz 1 AO für Verfahren betreffend die DSGOV ein außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren nicht gegeben ist, beginnt die Frist mit Bekanntgabe der Ablehnung.
Einjährige Frist zur Klageerhebung bei fehlender Rechtsbehelfsbelehrung
Der Lauf der Frist beginnt jedoch nicht, wenn – wie im Streitfall – die gemäß § 55 Abs. 1 FGO vorgeschriebene Belehrung über den Rechtsbehelf unterblieben ist. In diesem Fall ergibt sich die Frist für die Einlegung der Verpflichtungsklage aus § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO. Danach ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe im Sinne des § 54 Abs. 1 FGO zulässig, es sei denn, dass die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, dass ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei.
Gemessen an diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht die Verfristung der Klage angenommen. Die Klage ist erst am 25.2.2021 und damit außerhalb der Jahresfrist des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO beim FG eingegangen.
Unionsrechtliche Grundsätze gebieten es nicht, auf Einhaltung der Klagefrist zu verzichten
Diese Klagefrist ist auch nicht nach Maßgabe der aufgezeigten EuGH-Rechtsprechung aus Gründen des Unionsrechts außer Acht zu lassen. Die Rechte des Klägers, einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO geltend zu machen, werden durch die Vorgaben in § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO weder praktisch unmöglich gemacht noch übermäßig erschwert. Neben der großzügig bemessenen Jahresfrist bei einer unterbliebenen oder unrichtig erteilten Rechtsbehelfsbelehrung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass derjenige, der – wie der Kläger – einen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO geltend macht, diesen nach einer Ablehnung durch den Datenverantwortlichen wiederholend anbringen kann.
Auskunftsersuchen muss grds. zunächst gegenüber dem Finanzamt erfolgen
Soweit der Kläger seine Klage nicht auf den Ablehnungsbescheid vom 4.12.2019 stützte, sondern in der "Verweigerung der Anerkennung der Klage" einen Ablehnungsbescheid erkennen wollte, fehlte es im Urteilsfall an einem vorherigen Auskunftsantrag, sodass die Klage gemäß § 40 Abs. 2 FGO unzulässig war. Die in § 40 Abs. 2 FGO benannte Ablehnung durch die Behörde setzt zwingend voraus, dass der Erlass eines Verwaltungsakts oder die bestimmte Handlung der Behörde vorher beantragt wurde.
Zwar kann es aus prozessökonomischen Gründen angezeigt sein, auf das Erfordernis des vorherigen Antrags bei der Behörde zu verzichten, wenn das Beharren auf einer Vorbefassung der Verwaltung als bloße Förmelei erscheint, weil die Behörde klar und eindeutig zu erkennen gegeben hat, dass sie einen solchen Antrag definitiv ablehnen wird (vgl. BVerwG, Urteil v. 2.3.2022, 6 C 7.20, BVerwGE 175, 76, Rz 58; s.a. BFH, Urteil v 12.11.2024, IX R 20/22, Rz 26). Daran fehlt es hier jedoch. Konkrete Anhaltspunkte für eine entsprechende Haltung des FA fehlen. Zwar hat das FA einen zuvor gestellten Antrag abgelehnt. Allerdings lag diese Entscheidung bei Klageerhebung bereits mehr als ein Jahr zurück. Angesichts dieser Zeitspanne, die Raum für mögliche Änderungen der für die Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage bietet, stellt die Vorbefassung der Verwaltung sich nicht als bloße Förmelei dar.
Praxishinweis: Kein Einspruchsverfahren vor Klageerhebung
Der Anspruch auf Auskunft nach Art. 15 DSGVO muss zunächst gegenüber der verantwortlichen Behörde (hier: FA) geltend gemacht werden. Die Erteilung einer Auskunft als auch deren Ablehnung stellen einen Verwaltungsakt (§ 118 AO) dar. Erteilt das FA diese die Auskunft nicht oder nicht vollständig, ist innerhalb eines Monats Verpflichtungsklage auf Auskunftserteilung zu erheben. Ein Einspruchsverfahren ist vor Klageerhebung nach § 32i Abs. 9 Satz 1 AO nicht durchzuführen. Enthält das Ablehnungsschreiben keine Rechtsbehelfsbelehrung, gilt die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO.
BFH, Urteil v. 6.5.2025, IX R 2/23; veröffentlicht am 12.6.2025
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