Anrechnung unentgeltlicher Wohnungsgestellung bei Realsplitting

Überlässt der geschiedene Ehemann seiner geschiedenen Ehefrau, die beide Miteigentümer eines Einfamilienhauses sind, aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung das Haus zur alleinigen Nutzung, so kann er den Mietwert seines Miteigentumsanteils als Sonderausgaben absetzen.

Nach § 10 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 EStG kann ein Steuerpflichtiger Aufwendungen für Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten bis zur Höhe von 13.805 EUR im Kalenderjahr von seinem Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen, wenn er dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt (sog. begrenztes Realsplitting).

Begriff "Aufwendungen"

Der Begriff "Aufwendungen" wird im Allgemeinen im Sinne von Ausgaben verstanden. Dabei handelt es sich um alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und beim Steuerpflichtigen abfließen. Der Begriff "Unterhaltsleistungen" stimmt mit dem in § 33a EStG verwendeten Begriff "Aufwendungen für den Unterhalt" inhaltlich überein. Maßgeblich ist, dass die Aufwendungen für Zwecke des Unterhalts gemacht worden sind. Danach sind Unterhaltsleistungen die typischen Aufwendungen zur Bestreitung der Lebensführung, z. B. für Ernährung, Kleidung, Wohnung. Der Unterhalt kann in Geld oder geldwerten Sachleistungen erbracht werden.

Die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung stellt eine sog. Naturalunterhaltsleistung dar, die mit den üblichen Mittelpreisen des Verbrauchsorts anzusetzen ist (z. B. ortsüblicher Mietzins bei unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zu Unterhaltszwecken). Wird eine Wohnung unentgeltlich zu Unterhaltszwecken überlassen und dadurch der Anspruch des Unterhaltsberechtigten auf Barunterhalt vermindert, so ist die Wohnungsüberlassung einer geldwerten Sachleistung (Ausgabe) gleichzusetzen, die mit der Überlassung zur Nutzung abfließt. Denn durch die Wohnungsüberlassung unter gleichzeitiger Verminderung des Barunterhalts wird lediglich der Zahlungsweg der Unterhaltsleistungen abgekürzt.

BFH-Entscheidung zu einem überlassenen Einfamilienhaus

Der BFH hat aufgrund dieser Grundsätze entschieden (Urteil v. 12.4.2000, XI R 127), dass der geschiedene Ehemann, der seiner Ehefrau, die beide Miteigentümer eines Einfamilienhauses sind, aufgrund einer Unterhaltsvereinbarung das Haus zur alleinigen Nutzung überlässt, den Mietwert seines Miteigentumsanteils als Sonderausgabe absetzen kann.

Der Fall, dass der Unterhaltsberechtigte mit dem ihm gewährten (höheren) Barunterhalt selbst eine Wohnung mietet, kann für den Bereich des Sonderausgabenabzugs nicht anders behandelt werden als der Fall, in dem sich die Unterhaltsleistung aus (niedrigerem) Barunterhalt und unentgeltlicher Wohnungsüberlassung zusammensetzt.

Unterschied zum aktuellem Fall beim Niedersächsischen FG

Im Fall des BFH überließ der Kläger seiner getrennt lebenden Ehefrau aufgrund eines gerichtlichen Vergleiches die Nutzung des je zur Hälfte im Miteigentum der Eheleute stehenden Einfamilienhauses. Der hieraus entstehende Wohnvorteil wurde als Sachbezug mit 300 EUR bewertet. Außerdem zahlte er einen Barunterhalt von 700 EUR im Monat. Der BFH erkannte 12.000 EUR (Barleistungen in Höhe von 8.400 EUR und Sachleistungen in Höhe von 3.600 EUR) als Sonderausgabe an.

Im Rahmen eines aktuellen Falls beim Niedersächsischen FG (Urteil v. 11.6.2020, 1 K 99/19) war der Sachverhalt so gelagert, dass nach der Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung ein Barunterhalt in Höhe von 600 EUR pro Monat vereinbart wurde. Zudem wurden folgende Vereinbarungen getroffen: Solange die Ehefrau noch in der ehemals gemeinsamen Familienwohnung lebt, wird ein Anteil von 400 EUR als Wohnvorteil der Ehefrau bewertet und mithin nur ein Betrag in Höhe von 200 EUR an die Ehefrau vom Ehemann ausgezahlt. Im Rahmen der Steuererklärung legte der Kläger aber dar, dass der Mietwert ca. 800 EUR betrug. Demnach machte er anstatt 7.200 EUR ca. 12.000 EUR als Sonderausgaben geltend.

FG Niedersachsen bewertet nur Vereinbarung Barunterhalt

Das FG ist aber der Auffassung, dass die Überlassung der Familienwohnung keine Naturalunterhaltsleistung darstellt. In der Trennung- und Scheidungsfolgenvereinbarung sei ausdrücklich ein Barunterhaltsanspruch in Höhe von 600 Euro pro Monat vereinbart worden. War danach der Kläger grundsätzlich gesetzlich zur Leistung von Barunterhalt in voller Höhe verpflichtet, so war auch der Abschluss eines Mietvertrages grundsätzlich angemessen.

Mit Rücksicht auf die Barunterhaltspflicht besteht für den Unterhaltsverpflichteten regelmäßig kein Anlass, seiner geschiedenen oder dauernd getrenntlebenden Ehefrau eine Wohnung unentgeltlich zur Nutzung zu überlassen. Demnach kommt fas FG zu dem Ergebnis, dass bei einer Vereinbarung von Barunterhalt, auf den eine unentgeltliche Wohnungsgestellung Anrechnung findet, ein Sonderausgabenabzug im Wege des Realsplitting nur in Höhe dieser Anrechnung nicht aber in Höhe des Mietwerts der Wohnung in Betracht kommt.

Revisionverfahren beim BFH anhängig

Soweit ersichtlich wurde die Revision zwar nicht zugelassen. Das Niedersächsische FG hat aber kürzlich mitgeteilt, dass mittlerweile ein Revisionsverfahren vor dem BFH läuft. Daher ist davon auszugehen, dass Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt wurde, welche erfolgreich war. Vergleichbare Fälle sollten offen gehalten werden, bis der BFH entschieden hat (Az X R 33/20).