Abziehbarkeit von Scheidungskosten ab 2013
Da die Finanzämter bisher die Auffassung vertreten haben, dass die Kosten eines Scheidungsprozesses nicht unter die Ausnahmeregelung des § 33 Abs. 2 Satz 4 2. Halbsatz EStG fallen, haben sich die Betroffenen gewehrt, was zu mehreren unterschiedlichen Entscheidungen der FG geführt hat.
Zugunsten der Kläger haben bisher entschieden:
FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 16.10.2014, 4 K 1976/14 (Az. der Revision: VI/R 66/14)
Nach Auffassung des FG sind die Prozesskosten für eine Ehescheidung auch unter dem Geltungsbereich der gesetzlichen Neuregelung weiterhin als außergewöhnliche Belastungen (agB) abziehbar, da der Gesetzestext hinsichtlich des weiterhin ausnahmsweise möglichen Abzugs insoweit exakt an eine Formulierung in der Rechtsprechung des III. Senats des BFH anknüpfe. Unter "Verlust der Existenzgrundlage" sei nicht nur der Verlust der biologischen Existenz zu verstehen (Lebensgefahr), sondern nach verfassungsrechtlichen Wertmaßstäben auch der Verlust der seelischen Existenzgrundlage, die nach Zerrüttung einer Ehe ohne Scheidung anzunehmen ist. Kosten der Ehescheidung, die aufzuwenden sind, um nicht in einer zerrütteten Ehe weiterleben zu müssen, sind daher zur Beseitigung der Zwangslage für den Steuerpflichtigen unvermeidbar.
FG Münster, Urteil v. 21.11.2014, 4 K 1829/14 E (Az. der Revision: VI R 81/14)
Das FG hat entschieden, dass es zu den lebensnotwendigen Bedürfnissen gehört, sich aus einer zerrütteten Ehe zu lösen. Danach sind zwangsläufige Scheidungskosten auch ab dem Veranlagungszeitraum 2013 weiterhin als agB abzugsfähig. Das neue Abzugsverbot des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG greift nach Ansicht des Gerichts nicht, da der Gesetzgeber durch das Abzugsverbot lediglich die bisherigen (strengeren) Abzugsvoraussetzungen für Zivilprozesskosten gesetzlich festschreiben wollte, die allerdings auch schon einen Abzug von Scheidungskosten vorsahen. Nach Auffassung des FG hat es nicht nur aus finanzieller Sicht eine existenzielle Bedeutung für den Steuerpflichtigen, sich aus einer zerrütteten Ehe lösen zu können, sodass die Scheidung die lebensnotwendigen Bedürfnisse eines Steuerpflichtigen erfasst.
Negativ haben bisher folgende FG entschieden:
Sächsisches FG, Urteil v. 13.11.2014, 2 K 1399/14 (rechtskräftig), Haufe Index 7593704
Die Vorschrift des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG genügt nach Auffassung des FG den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Art. 2 und 6 GG dadurch, dass die Scheidungskosten dann abziehbar sind, wenn der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und er seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen kann. Die verfassungsrechtlich gebotene Sicherung des Existenzminimums ist jedoch nicht dahingehend zu verstehen, dass diese auch das „seelische“ Existenzminimum umfasst.
Niedersächsisches FG, Urteil v. 18.2.2015, 3 K 297/14 (Revision zugelassen)
Das FG hat entschieden, dass Scheidungskosten im Streitjahr 2013 nicht mehr als agB steuerlich geltend gemacht werden können, da Scheidungen einfach nicht mehr außergewöhnlich seien. Die Richter beriefen sich dabei auf Daten des Statistischen Bundesamtes. Danach stünden zurzeit jährlich rd. 380.000 Eheschließungen rund 190.000 Ehescheidungen gegenüber – es gäbe also nur doppelt so viele Eheschließungen wie Scheidungen. Zudem haben die Richter die Neufassung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG so ausgelegt, dass der Gesetzgeber mit Wirkung ab dem Jahr 2013 die Abzugsfähigkeit der Scheidungskosten als Prozesskosten generell abgeschafft hat.
Praxis-Tipp
Soweit die FÄ in vergleichbaren Fällen die Berücksichtigung von Kosten eines Scheidungsprozesses als agB ablehnen, sollten Betroffene unter Hinweis auf die vorstehenden Revisionsverfahren Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 AO verweisen. Die positiven FG-Urteile betreffen jedoch nicht die Prozesskosten für sog. Scheidungsfolgesachen (Unterhalt, Ehewohnung und Haushalt, Güterrecht, Sorgerecht, Umgangsrecht); diese sind nach der Neuregelung ab 2013 nicht mehr als agB abziehbar. Derartige Kosten erwachsen nicht zwangsläufig, da entweder der Steuerpflichtige selbst deren Anfall dadurch vermeiden kann, dass er die Einbeziehung von Folgesachen in den Scheidungsverbund nicht beantragt, oder durch die Regelung in § 150 Abs. 4 FamG die Möglichkeit einer der Billigkeit entsprechenden gerichtlichen Kostenverteilung gegeben ist.
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