Zusammenveranlagung mit pflegebedürftigem Ehegatten

Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG ist für eine Zusammenveranlagung Voraussetzung, dass die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben. Ein dauerndes Getrenntleben ist dann gegeben, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft endgültig aufgehoben worden ist.

Ist einer der Ehegatten krankheitsbedingt in einem Pflegeheim untergebracht, stellt sich die Frage, ob eine eingeschränkte Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auch dann möglich ist, wenn der andere Ehegatte mit einer neuen Lebensgefährtin zusammenlebt. 

Die zum Wesen der Ehe gehörende Lebensgemeinschaft bedeutet die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten, während unter Wirtschaftsgemeinschaft die gemeinsame Erledigung der die Ehegatten gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen ihres Zusammenlebens zu verstehen ist. Der Beurteilung, ob Ehegatten getrennt leben, sind in erster Linie die äußerlich erkennbaren Umstände zugrunde zu legen, wobei einer auf Dauer herbeigeführten räumlichen Trennung bei der Abwägung der für und gegen die Annahme eines dauernden Getrenntlebens sprechenden Merkmale regelmäßig eine besondere Bedeutung zukommt.

Die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft besteht im Allgemeinen fort, wenn sich die Ehegatten nur vorübergehend räumlich trennen. Sie kann sogar fortbestehen, wenn äußere Umstände die Ehegatten zwingen, für eine nicht absehbare Zeit räumlich voneinander getrennt zu leben, sofern die Ehegatten die erkennbare Absicht haben, die eheliche Gemeinschaft in dem noch möglichen Rahmen aufrecht zu erhalten und nach dem Wegfall des Hindernisses die volle Lebensgemeinschaft wieder herzustellen.

Diese Situation ergibt sich z. B. wenn ein Ehegatte für lange Zeit in einem Krankenhaus oder Pflegeheim lebt. In diesen Fällen kann der Wille zur Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft z. B. in Besuchen, Geschenken und finanzielle Unterstützungen, in Gesprächen und Briefverkehr seinen Ausdruck finden. Ein langjähriges Zusammenleben eines Ehegatten mit einer anderen Person spricht dagegen grundsätzlich gegen eine noch fortbestehende Lebensgemeinschaft. Die Rechtsprechung misst (BFH, Urteil v. 7.12.2001, III B 129/01) neben den in erster Linie äußeren Umständen – aber auch der inneren Einstellung zur ehelichen Lebensgemeinschaft eine entscheidungserhebliche Bedeutung bei. 

Beispiel

Die Ehegatten A und B sind beide 60 Jahre alt und seit 1980 verheiratet. B erkrankte in 2006 an Demenz. Sie wurde zunächst von A zuhause gepflegt und nach Verschlimmerung der Krankheit in 2012 in ein Pflegheim verlegt. A besucht seine Ehefrau mehrmals die Woche und kommt für die Kosten des Pflegeheims sowie für die zusätzlich entstehenden Krankheitskosten auf. Des Weiteren regelt er auch ihre vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Seit Ende 2013 lebt A mit einer neuen Lebensgefährtin in seinem vormals mit B bewohnten Haus zusammen.

Das FG Köln vertritt die Auffassung (Urteil v. 16.6.2011, 10 K 4736/07), dass eine neue Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft unter Berücksichtigung der Wertung des § 26 EStG, der im Hinblick auf das Gebot in Art. 6 GG gerade die Einehe fördern will, eine fortbestehende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit der im Pflegeheim lebenden Ehefrau ausschließt. Eine bestehende Ehe soll demnach nicht mehr förderungswürdig sein, wenn ein – wenn auch nicht freiwilliges – räumliches Getrenntleben vorliegt, dass sich durch das Eingehen einer neuen Lebensgemeinschaft verfestigt hat.

Praxis-Tipp

Dagegen hat das FG Niedersachsen aktuell entschieden (Urteil v. 23.6.2015, 13 K 225/14), dass die räumliche Trennung auf zwingenden äußeren Umständen beruht, weil - wie hier A - die häusliche Pflege nicht mehr möglich ist. In diesem Fall kann nicht grundsätzlich von einem dauernden Getrenntleben ausgegangen werden, wenn (später) eine neue Beziehung eingegangen wird. Wird nämlich nach der räumlichen Trennung und auch nach Eingehen der neuen Beziehung die eheliche Lebensgemeinschaft in dem noch möglichen Rahmen aufrechterhalten (z. B. Besuche, Erledigung der vermögensrechtlichen Angelegenheiten), zeigt dies, dass nach der inneren Einstellung die persönliche und geistige Gemeinschaft mit der Ehefrau bestehen bleiben soll. Zwar kann nicht mehr von einer fortbestanden Absicht ausgegangen werden, dass nach dem Wegfall der zwingenden äußeren Hindernisse die volle Lebensgemeinschaft mit der Ehefrau wieder hergestellt wird; dies ist aber zumindest dann unbeachtlich, wenn bei einer Krankheit nicht mit einer nachhaltigen Genesung gerechnet werden kann.

Auch kann eine zweite nichteheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft die fortbestehende eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nicht überlagern. Lebt der Steuerpflichtige nämlich in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, ist dies nur im Zusammenhang mit der Frage von Bedeutung, ob die eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen den Ehegatten trotzdem fortbesteht (vgl. hierzu BFH, Beschluss v. 26.11.19997, IX B 47/97). Etwas anderes könne auch nicht aus Art. 6 GG hergeleitet werden, weil der resultierende Schutz der Ehe nicht gebietet, dass die steuerliche Zusammenveranlagung zu versagen ist, wenn ein Ehegatte neben einer ehelichen noch eine nichteheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft führt. Auch das Gebot der Einehe wird nicht betroffen, weil der Steuerpflichtige nicht mehrere sondern nur eine Ehe führt. Daher ist hier A und B die Zusammenveranlagung (auch für 2014) zu gewähren. 

Gegen die Entscheidung des FG Niedersachsens läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH (Az. III R 15/15). Es versteht sich daher von selbst, dass einschlägige Fälle offen gehalten werden sollten, bis der BFH entschieden hat. Einsprüche ruhen kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.