Vervielfachung der grunderwerbsteuerlichen Freigrenze

Nicht grunderwerbsteuerpflichtig ist der Erwerb eines Grundstücks, wenn der für die Berechnung der Steuer maßgebende Wert 2.500 EUR nicht übersteigt. Doch wie ist die Befreiungsvorschrift anzuwenden, wenn mehrere Miteigentümer ein Grundstück an mehrere Erwerber zu Miteigentum veräußern?

Beispiel 1: Ehegatten als Miteigentümer verkaufen ein Grundstück  

Die Ehegatten A und B sind zu je ½ Eigentümer eines Grundstücks. Sie übertragen das Grundstück in einem Rechtsgeschäft zu einem Kaufpreis von insgesamt 10.000 EUR auf die Eheleute C und D, die das Grundstück ebenfalls zu jeweils hälftigem Eigentum erwerben. Sämtliche Ehegatten leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft

Miteigentumsanteile gelten grunderwerbsteuerlich als Grundstücke

Nach § 3 Nr. 1 GrEStG ist von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks, wenn der für die Berechnung der Steuer maßgebende Wert 2.500 EUR nicht übersteigt. Die Vorschrift ist als Freigrenze ausgestaltet und enthält eine Grunderwerbsteuerbefreiung für Fälle mit einer geringen Bemessungsgrundlage bis zu einer Höhe von einschließlich 2.500 EUR. Die Befreiung bzw. Freigrenze ist für jeden Steuerfall gesondert zu berücksichtigen.

Werden durch ein Rechtsgeschäft mehrere Grundstücke i.S.d. § 2 GrEStG übertragen, so liegen mehrere Steuerfälle vor. Maßgeblich für die Frage, ob eines oder mehrere Grundstücke erworben werden, ist der grunderwerbsteuerliche Grundstücksbegriff nach § 2 GrEStG. Miteigentumsanteile gelten grunderwerbsteuerrechtlich als Grundstücke. Jeder Erwerb eines Miteigentumsanteils erfüllt daher grundsätzlich für sich gesehen einen Grunderwerbsteuertatbestand und ist auch für die Freigrenze nach § 3 Nr. 1 GrEStG als selbständiger Steuerfall zu beurteilen (FG Nürnberg, Urteil v. 25.10.2007, IV 265/2006). 


Verwaltungsauffassung: Freigrenze ist im Beispiel 1 überschritten 

Nach der Verwaltungsauffassung liegen im Beispiel 1 nur 2 Erwerbsvorgänge vor. Die Eheleute C und D erhalten nicht je ¼ von jedem Veräußerer-Ehegatten A und B, sondern jeder Erwerber-Ehegatte erhält eine ideelle Grundstückshälfte. Es kann nicht bestimmt werden, von welchem Miteigentümer der jeweilige Anteil erworben wird. Die Freigrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG wird nicht berücksichtigt, weil sie bei einem Kaufpreis von jeweils 5.000 EUR überschritten ist (FinMin Bayern, Erlass v. 26.6.2018, 36 - S 4505 - 1/3, Beispiel 3.1, Haufe Index 11936144).

Beispiel 2: Verdoppelung der Erwerbsvorgänge durch entsprechende Gestaltung

Sachverhalt wie im Beispiel 1. Im notariell beurkundeten Kaufvertrag wird ausdrücklich vereinbart, dass A seinen hälftigen Miteigentumsanteil zu je ½ auf C und D und B seinen hälftigen Miteigentumsanteil zu je ½ auf C und D überträgt.

Verwaltungsauffassung: Freigrenze ist im Beispiel 2 nicht überschritten

Die Finanzverwaltung hat ihren koordinierten Ländererlass aus dem Jahr 2008 (FinMin Bayern, Erlass v. 15.5.2008, 36 – S 4505 – 024 – 17241/08) jüngst ergänzt. Im Beispiel 2 liegen danach 4 Erwerbsvorgänge vor. Die Eheleute C und D erhalten je ¼ von den Veräußerer-Ehegatten A und B. Die Freigrenze des § 3 Nr. 1 GrEStG kommt bei jedem Erwerbsvorgang zur Anwendung, weil die Gegenleistung mit jeweils 2.500 EUR die Freigrenze nicht übersteigt (FinMin Bayern, Erlass v. 26.6.2018, 36 - S 4505 - 1/3, Beispiel 3.2,Haufe Index 1873138).

Vorsicht: Für die Freigrenze zählen in Gütergemeinschaft lebende Veräußerer nicht als 2, sondern lediglich als ein Veräußerer

Anders ist die Rechtslage bei in Gütergemeinschaft lebenden Eheleuten hinsichtlich eines zum Gesamtgut gehörenden Grundstücks. Denn der einzelne Ehegatte kann nach § 1419 Abs. 1 BGB nicht allein über seinen Anteil am Gesamtgut und an den einzelnen Gegenständen, die zum Gesamtgut gehören, verfügen. Deshalb liegt beim Erwerb eines Grundstücks, das zum Gesamtgut von in Gütergemeinschaft lebenden Ehegatten gehört, durch einen Erwerber nur ein Erwerb vor (BFH, Urteil v. 28.3.2007, II R 15/06, BFH/NV 2007 S. 1349).