Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung

Die bisher wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG erhobenen Verfassungsbeschwerden sind vom BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen worden. Aktuell ist eine weitere Verfassungsbeschwerde anhängig, bei der noch offen ist, ob sie zur Entscheidung angenommen wird.

Die vom BVerfG bisherige nicht zur Entscheidung angenommenen Verfassungsbeschwerden (2 BvR 180/16, 2 BvR 221/17, 2 BvR 1936/17, 2 BvR 1205/17) wurden damit begründet, dass die Kürzung der Krankheitskosten um die zumutbare Belastung gegen das aus Art. 3 GG herzuleitende Prinzip der Besteurung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit verstoße.

In diesen Fällen hatte der BFH immer entschieden, dass es aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht geboten sei, bei der einkommensteuerrechtlichen Berücksichtigung von selbst getragenen Krankheitskosten auf den Ansatz der zumutbaren Belastung zu verzichten.

Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1579/22

Das BVerfG hat auch diese Verfassungsbeschwerde mit Beschluss v. 15.11.2023 nicht zur Entscheidung angenommen. In diesem Verfahren wurde von den Beschwerdeführern die Verfassungswidrigkeit des § 33 Abs. 3 EStG damit begründet, dass bei sog. beihilfefähigen Krankheitskosten Steuerpflichtige ohne Beihilfeanspruch in verfassungswidriger Weise gegenüber beihilfeberechtigten Beschäftigten im öffentlichen Dienst benachteiligt seien.

Aktuelle Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1554/23

Hintergrund: Fall des BFH

In diesem Fall ging es sowohl um die Abziehbarkeit von Krankheitskosten und Aufwendungen für glutenfreie Diätverpflegung als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG EStG, als auch um die Verfassungsmäßigkeit der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG.

Bei der im Jahr 2004 geborenen Tochter der Kläger war bereits vor dem Streitjahr Zöliakie diagnostiziert worden. Sie benötigte daher dauerhaft und ununterbrochen eine vollständig glutenfreie Ernährung. Neben den Aufwendungen für Diätverpflegung beantragten die Kläger den Abzug von selbst getragenen Arzt- und Arzneimittelkosten als außergewöhnliche Belastungen.

Das Finanzamt brachte gemäß § 33 Abs. 3 EStG die zumutbare Belastung zum Abzug, so dass sich die geltend gemachten Aufwendungen nicht steuermindernd auswirkten.

Nach Auffassung der Kläger sind die Krankheitskosten außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG abzugszugsfähig. Geltend gemacht würden nur die nicht zuzahlungspflichtigen Aufwendungen, also solche, welche bei Steuerpflichtigen, die durch den Staat unterhalten werden, nicht zu einer Belastung führten.

Es sei keine zumutbare Belastung in Abzug zu bringen. Die Kläger würden insoweit benachteiligt, weil Sozialleistungsempfänger bei diesen Krankheitskosten keine Zuzahlung zu leisten hätten, die Kläger dagegen Zahlungen leisteten, welche sich anschließend wegen der zumutbaren Eigenbelastung steuerlich nicht auswirkten.

Der Gesetzgeber habe insoweit nicht berücksichtigt, dass die Steuerpflichtigen, die durch den Staat unterhalten werden, keine Zahlungen zu leisten hätten.

Entscheidung des BFH

Nach Auffassung des BFH begegnet der Ansatz der zumutbaren Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG bei Krankheitskosten keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH, Beschluss v. 4.11.2021, VI R 48/18).

Dies gelte auch bei Krankheitskosten, die aufgrund eines vereinbarten Selbstbehalts von der privaten Krankenversicherung nicht erstattet worden sind. Ein Selbstbehalt könne allenfalls dann nicht mehr zumutbar sein, wenn dadurch in das verfassungsrechtlich gesicherte Existenzminimum eingegriffen würde (BSG Urteil v. 22.4.2008, B 1 KR 10/07 R, BSGE 100 S. 221). Solange allerdings der tatsächliche Umfang der von den Klägern erbrachten Aufwendungen im Rahmen dieser Selbstbehalte - wie im Streitfall - der Höhe nach nicht geeignet seien, dieses Existenzminimum zu tangieren, hält der BFH eine Einschränkung der zumutbaren Belastung von Verfassungswegen nicht für geboten.

Außerdem hat der BFH entschieden, dass das Abzugsverbot für Aufwendungen für Diätverpflegung nach § 33 Abs. 2 Satz 3 EStG verfassungsgemäß ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm gelte das Abzugsverbot ausnahmslos und auch für Sonderdiäten, die - wie z.B. bei der Zöliakie - eine medikamentöse Behandlung ersetzen (BFH, Urteile v. 6.4.1990, III R 60/88,  BStBl II 1990 S. 958; v. 27.9.1991, III R 15/91, BStBl II 1992 S. 110, und v. 21.6.2007, III R 48/04, BStBl II 2007 S. 880, Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, Beschluss v. 6.7.2010, 2 BvR 2164/07; Senatsurteil v. 14.4.2015, VI R 89/13, BStBl II 2015 S. 703).

Praxis-Tipp: Einspruch einlegen

Da einerseits nur schwer einzuschätzen ist, ob das BVerfG die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung annehmen wird, und andererseits nach Auskunft des BVerfG noch nicht abzusehen ist wann diese Entscheidung getroffen wird, stellt sich die Frage, ob betroffene Steuerpflichtige gegen Steuerbescheide, in denen die geltend gemachten Krankheitskosten um die zumutbare Belastung nach § 33 Abs. 3 EStG gekürzt als außergewöhnlich Belastung berücksichtigt wurden, Einspruch einlegen sollten.

Nach Meinung des BdSt wird das BMF mit der Aufnahme eines Vorläufigkeitsvermerks in die Steuerbescheide abwarten, bis über die Annahme der Verfassungsbeschwerde entschieden wurde. Solange noch nicht klar ist, ob ein entsprechender Vorläufigkeitsvermerk in die Steuerbescheide aufgenommen wird, sollten Betroffene unter Hinweis auf die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1554/23 gegen die betreffenden Steuerbescheide Einspruch einlegen und auf das Ruhen des Verfahrens kraft Gesetzes nach § 363 Abs. 2 AO verweisen.