Splittingtarif für nichteheliche Lebensgemeinschaft

Die Frage, ob neben Eheleuten und eingetragenen Lebenspartnerschaften auch Paare, die sich in einer „Lebensabschnittspartnerschaft“ befinden, Anspruch auf den Splittingtarif haben, hat das FG Münster  verneint. Da sich das betroffene Paar mit einer NZB gegen das Urteil gewehrt hat, muss nun der BFH entscheiden.

In § 2 Abs. 8 EStG steht „die Regelungen dieses Gesetzes zu Ehegatten und Ehen sind auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden“. Sinn dieser Vorschrift ist es entsprechend den Vorgaben des BVerfG sicherzustellen, dass eingetragene, gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften steuerlich nicht diskriminiert werden und wie andere Eheleute Anspruch auf den Splittingtarif haben. Da im Gesetz aber nicht steht, dass der Splittingtarif nur eingetragenen Lebenspartnerschaften oder anderen rechtlich möglichen Formen einer Partnerschaft vorbehalten ist, hat ein nicht verheiratetes Paar, den Splittingtarif beantragt.

Sachverhalt: Mann, Frau - unverheiratet, gemeinsame Kinder

Die Kläger leben in einer nichtehelichen verschiedengeschlechtlichen Lebensgemeinschaft, führen einen gemeinsamen Haushalt und stehen sozial und wirtschaftlich füreinander ein. Sie haben drei gemeinsame Kinder, die ebenfalls in ihrem Haushalt leben. Darüber hinaus ist ein weiteres Kind der Klägerin in den Haushalt der Kläger aufgenommen. Der Kläger ist als Geschäftsführer nichtselbstständig tätig. Im Veranlagungszeitraum 2012 erzielte er aus dieser Beschäftigung Einkünfte in Höhe von 110.867 EUR. Die Klägerin betreibt ein kleines Unternehmen. Die hieraus bezogenen Einkünfte betrugen im Streitjahr 2.319 EUR. Weitere Einkünfte erzielte die Klägerin im Kalenderjahr 2012 nicht.

Die Kläger reichten jeweils eine eigene Steuererklärung ein, ohne darin die Zusammenveranlagung zu beantragen. Gegen ihre Steuerbescheide legten sie jeweils gesondert Einspruch ein und beantragten, unter Anwendung des Splittingtarifs zusammen zur Einkommensteuer veranlagt zu werden. Gegen die ablehnenden Einspruchsentscheidungen des FA legten sie auch getrennt Klage ein, die Verfahren wurden dann von dem FG aber zusammengefasst.

Wie ist § 2 Abs. 8 EStG auszulegen?

In § 2 Abs. 8 EStG ist geregelt, dass die Regelungen dieses Gesetzes zu Ehegatten und Ehen auch auf Lebenspartner und Lebenspartnerschaften anzuwenden sind. Mit ihrer Klage tragen die Kläger vor, dass der Gesetzgeber in dieser Vorschrift die Begriffe „Lebenspartner“ und „Lebenspartnerschaft“ verwendet, ohne diese im EStG oder der AO zu definieren. Da auch in § 1 Abs. 1 des Lebenspartnerschaftsgesetzes für die Begriffe „Lebenspartnerschaft“ und „Lebenspartner“ keine Legaldefinition existiere, sei daher auf das Sozialrecht zurückzugreifen, wonach Lebenspartner zwei oder mehrere Personen seien, die einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt hätten und sozial und wirtschaftlich füreinander einstünden. Außerdem seien in § 2 Abs. 8 EStG die Begriffe „Lebenspartner“ und „Lebenspartnerschaft“ mit einem „und“ verknüpft, was dazu führe, dass hier zwei verschiedene Lebenssachverhalte geregelt würden: zum einen die steuerliche Behandlung von (gleichgeschlechtlichen) Lebenspartnerschaften und zum anderen die von (verschiedengeschlechtlichen) Lebenspartnern.

Das FG hat die Klage als unbegründet zurückgewiesen, da die Zusammenveranlagung (und damit auch den Splittingtarif) nur für Partner gewährt werden könne, die in einer rechtlich institutionalisierten Form der Partnerschaft zusammenleben. Das sei bei gleichgeschlechtlichen Partnern die (eingetragene) Lebenspartnerschaft und bei verschiedengeschlechtlichen Paaren die Ehe (FG Münster, Urteil v. 18.5.2016, 10 K 2790/14 E).

Praxis-Tipp: Splittingtarif beantragen

Da das FG die Revision nicht zugelassen hat, haben die Kläger Nichtzulassungsbeschwerde beim BFH eingelegt (Az. III B 100/16). Wie bereits mit ihrer Klage führen sie zur Begründung aus, dass maßgebend für die Auslegung eines Gesetzes der objektive Wille des Gesetzgebers sei, der sich in der Regel aus dem Wortlaut der Norm sowie dem Sinnzusammenhang ergebe. Die Entstehungsgeschichte einer Norm biete nur eine weitere Auslegungsmöglichkeit. Ihr komme jedoch nur insoweit Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den gegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätige oder Zweifel behebe. Selbst wenn die Entstehungsgeschichte als eigenständige Auslegungsmethode angesehen würde, trage sie die Behauptung, nur homosexuelle Lebenspartnerschaften seien vom objektiven Willen des Gesetzgebers umfasst, nicht. Dies lasse sich der Entscheidung des BVerfG jedenfalls nicht entnehmen. Denn das BVerfG stelle in seiner Entscheidung nicht die Ehe, sondern die Familie in den Vordergrund, die die Grundlage der Generationenfolge bilde. Genau diese Voraussetzung erfüllten die Kläger und stünden daher unter den Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG. Dem Gesetzgeber sei der Unterschied zwischen Lebenspartnern und eingetragenen Lebenspartnerschaften bewusst gewesen und er habe sich bewusst dagegen entschieden, in § 2 Abs. 8 EStG nur die eingetragenen Lebenspartnerschaften aufzunehmen. Demnach seien die Kläger Lebenspartner im Sinne des § 2 Abs. 8 EStG, so dass für sie §§ 26 Abs. 1, 26b und 32a Abs. 5 EStG zur Anwendung kämen.

Die vom FA vertretene gegenteilige Auffassung führe zu einer Ungleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Menschen und verschiedengeschlechtlichen Menschen, die als Lebenspartner zusammen lebten. Eine Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung sei nicht erkennbar.

Nach Einschätzung des Verfassers ist davon auszugehen, dass der BFH wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfrage in dem Verfahren III B 100/16 die Revision zulässt. Bei vergleichbaren Sachverhalten sollten Betroffene daher unter Hinweis auf das Verfahren beim BFH die Zusammenveranlagung und die Anwendung des Splittingtarifs beantragen, und das Verfahren durch einen Einspruch offen halten.

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Schlagworte zum Thema:  Einkommensteuer, Splittingtarif