Riester-Zulagen und Steuerermäßigung

In der Praxis wird die tarifliche Einkommensteuer zunächst um die Steuerermäßigungen nach § 35a EStG reduziert. Ist eine Riester-Zulage - bei erfolgreicher Günstigerprüfung - hinzuzurechnen, erfolgt dies erst im nächsten Schritt. Die Hinzurechnung kann bei einer Reduzierung durch die Steuerermäßigung bis auf 0 EUR wieder zu einer festzusetzenden Einkommensteuer führen, obwohl ggf. noch Abzugsvolumen vorhanden ist. 

Beispiel: Die tarifliche Einkommensteuer beträgt 900 EUR. Die Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen beläuft sich auf 1.000 EUR (5.000 EUR x 20 %). Es wird eine Grundzulage in Höhe von 175 EUR hinzugerechnet.

Im Einkommensteuerbescheid wird hier nach R. 2 Abs. 2 EStR wie folgt gerechnet:

tarifliche Einkommensteuer

900 EUR

- Steuerermäßigung

900 EUR (da höchstens auf Steuer 0)

+ Altersvorsorgezulagenanspruch

175 EUR

festzusetzende Einkommensteuer 175 EUR

Berechnungsschema nach den EStR

In R 2 Abs. 2 EStR wird das Berechnungsschema wie folgt dargestellt:

  1. ...
  2. ...
  3. ...
  4. = tarifliche Einkommensteuer (§ 32a Abs. 1, 5 EStG)
  5. - Minderungsbetrag nach Punkt 11 Ziffer 2 des Schlussprotokolls zu Artikel 23 DBA Belgien in der durch Artikel 2 des Zusatzabkommens vom 5.11.2002 geänderten Fassung (BGBl 2003 II S. 1615)
  6. - ausländische Steuern nach § 34c Abs. 1 und 6 EStG, § 12 AStG
  7. - Steuerermäßigung nach § 35 EStG
  8. - Steuerermäßigung für Stpfl. mit Kindern bei Inanspruchnahme erhöhter Absetzungen für Wohngebäude oder der Steuerbegünstigungen für eigengenutztes Wohneigentum (§ 34f Abs. 1 und 2 EStG)
  9. - Steuerermäßigung bei Zuwendungen an politische Parteien und unabhängige Wählervereinigungen (§ 34g EStG)
  10. - Steuerermäßigung nach § 34f Abs. 3 EStG
  11. - Steuerermäßigung nach § 35a EStG
  12. - Ermäßigung bei Belastung mit Erbschaftsteuer (§ 35b EStG)
  13. + Steuer auf Grund Berechnung nach § 32d Abs. 3 und 4 EStG
  14. + Steuern nach § 34c Abs. 5 EStG
  15. + Nachsteuer nach § 10 Abs. 5 EStG i. V. m. § 30 EStDV
  16. + Zuschlag nach § 3 Abs. 4 Satz 2 Forstschäden-Ausgleichsgesetz
  17. + Anspruch auf Zulage für Altersvorsorge, wenn Beiträge als Sonderausgaben abgezogen worden sind (§ 10a Abs. 2 EStG )
  18. + Anspruch auf Kindergeld oder vergleichbare Leistungen, soweit in den Fällen des § 31 EStG das Einkommen um Freibeträge für Kinder gemindert wurde
  19. = festzusetzende Einkommensteuer (§ 2 Abs. 6 EStG).

FG Schleswig-Holstein rechnet anders

Das FG Schleswig-Holstein ist aber aktuell zu einem anderen Ergebnis gekommen (Urteil v. 12.05.2021, 5 K 18/19). § 2 Abs. 6 Satz 2 EStG schreibe Satz 1 der Vorschrift lediglich fort und bestimmt für den Fall, dass der Gesamtbetrag der Einkünfte in den Fällen des § 10a Abs. 2 EStG um Sonderausgaben nach § 10a Abs. 1 EStG gemindert ist, dass für die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer der Anspruch auf Zulage nach Abschnitt XI der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen ist. D. h. die tarifliche Einkommensteuer erhöht sich bei Berücksichtigung des Sonderausgabenabzuges um den Anspruch auf Zulage. Dies ergäbe sich auch aus § 10a Abs. 2 Satz 1 EStG, wonach sich bei erfolgreicher Günstigerprüfung die unter Berücksichtigung des Sonderausgabenabzugs ermittelte tarifliche Einkommensteuer um den Anspruch auf Zulage erhöht.

Im Ergebnis ergäbe sich eine tarifliche Einkommensteuer, die die Zulage mitumfasst. Danach erfolge erst der Abzug der Ermäßigungen nach § 35a EStG. Auch Sinn und Zweck der Einkommensbesteuerung sprechen für den Abzug des § 35a EStG im Anschluss an die Hinzurechnung der Zulage auf die tarifliche Einkommensteuer, da unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung bei zwei möglich erscheinenden Varianten diejenige zu wählen ist, die dem Steuerpflichtigen die größtmögliche Steuerersparnis verschafft, sofern sie vom Gesetz gedeckt ist.

Demnach ergäbe sich hier nur eine Einkommensteuer i. H. v. 75 EUR weil zunächst der tariflichen Einkommensteuer i. H. v. 900 EUR die Grundzulage i. H. v. 175 EUR hinzugerechnet wird. Die Summe von 1.075 EUR wird um 1.000 EUR (§ 35a EStG) gemindert.

Gegen die Entscheidung des FG Schleswig-Holstein läuft ein Revisionsverfahren vor dem BFH (X R 11/21).

Aktualisierung: BFH entscheidet über Hinzurechnung Kindergeld

Der BFH hat bezüglich der Hinzurechnung des Kindergeldes aktuell wie folgt entschieden (Urteil v. 14.4.2021, III R 34/19): Führt die Vergleichsrechnung (Günstigerprüfung) zu dem Ergebnis, dass die Freibetragsgewährung (Kinderfreibetrag und Freibetrag für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf) für den Steuerpflichtigen günstiger ist, ist die Hinzurechnung des Kindergeldanspruchs erst nach Anwendung der Steuerermäßigungsvorschriften durchzuführen, mit der Folge, dass sich aus dem hinzugerechneten Kindergeldanspruch bei Anwendung der Steuerermäßigungsvorschriften kein zusätzliches Verrechnungspotenzial ergibt.

Die Hinzurechnung des Kindergelds erfolge nach § 31 Satz 4 i. V. m. § 2 Abs. 6 EStG Satz 3 EStG erst auf der Ebene der festzusetzenden Einkommensteuer. Die Hinzurechnung des Kindergelds bilde den letzten Schritt auf dem Weg zur Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer und hat keinen Einfluss auf etwaige, vorher zu berücksichtigende Steuerermäßigungen. Demnach könne es dazu kommen, dass eine Steuerermäßigung nicht in maximalem Umfang gewährt werden kann, weil sie durch die (korrigierte) tarifliche Einkommensteuer begrenzt wird. Gleichwohl kann dann durch das im letzten Schritt hinzuzurechnende Kindergeld aber eine positive festzusetzende Einkommensteuer in Höhe des Kindergeldanspruchs entstehen (vergleichbar siehe Beispiel oben Ermäßigung auf 0 aber Hinzurechnung 175 EUR Zulage).

Es ist m. E. davon auszugehen, dass die Hinzurechnung der Riester-Zulagen und die Hinzurechnung des Kindergeldes gleich zu behandeln sind. Die Hinzurechnung der Riester-Zulagen wird einen Satz vorher, nämlich in § 2 Abs. 6 Satz 2 EStG geregelt und hier wird in der Formulierung deutlich dargestellt, dass für die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer der Anspruch auf Zulage der tariflichen Einkommensteuer hinzuzurechnen ist. Das Verfahren vor dem BFH ist zwar noch offen, die Erfolgsaussichten sind nun aber gering.