Serienelemente
Leitbild in der Kanzlei einführen

Es ist eine anspruchsvolle und wichtige Führungsaufgabe, ein vollständiges Leitbild aus Kern-Ideologie und Vision in der Kanzlei zu entwickeln und vor allem dafür zu sorgen, dass es am Leben gehalten wird. Selbstredend besteht diese Führungsaufgabe permanent. Ein Leitbild lässt sich nicht wie ein Softwareupdate einrichten: Es muss authentisch sein und von allen aus ganzem Herzen geteilt werden, damit es seine positive Wirkung erzielen kann.

Studien in Steuerberatungskanzleien belegen, dass bei ausgeprägtem Leitbild z. B. ein besserer Umgang mit Wissen bei der täglichen Arbeit erfolgt und die Kanzlei mithin rentabler arbeitet (vgl. Hausmann, U. & Scholl, W. Vom Umgang mit der Ressource Wissen – Auswirkungen auf die Innovationsfähigkeit am Beispiel von Steuerberatungskanzleien. In Scholl, Wolfgang et al. (Hrsg.) Mut zu Innovationen. Wiesbaden: Springer Gabler. 2014).

Die Grundlagen für effektive Führung auf Basis eines Leitbildes und ein Rahmenkonzept zur Leitbildentwicklung können Sie in Teil 1 bzw. Teil 2 der Serie und in Ihrem Steuer Office (Haufe Index 8998033) lesen. Im Folgenden geht es um die Grundsätze des Einführens und des permanenten Lebens- und Vorlebens Ihres Kanzlei-Leitbildes.

Was sind die Knackpunkte für einen Entwicklungsprozess zum Kanzleileitbild?

  1. Kern-Zweck (Mission) und Vision dürfen nicht vermischt sein. Das Leitbild muss klar und einfach vorstellbar für jeden im Team, die Vision muss herausfordernd aber erreichbar, das Leitbild insgesamt für jeden kommunizierbar sein.
  2. Alle Personen in der Kanzlei müssen in die Leitbildentwicklung einbezogen werden – wenn auch nicht alle in gleicher Intensität. Das trägt dazu bei, dass das Leitbild realistisch entwickelt wird und bessere Chancen hat, auch gelebt zu werden.
  3. Klärung der Frage – in vielen Details –, woran Sie erkennen, dass das Leitbild gelebt wird. So konkret, dass es jede Person in der Kanzlei verstehen kann.
  4. Es müssen nicht diskutierbare Regeln festgelegt werden, wie genau sich das Leitbild im Tagesgeschäft (z. B. Verhalten aller, Arbeitsprozesse, Arbeitsergebnisse) auswirkt. Gleichzeitig müssen Sanktionen festgelegt werden, die bei Nichteinhalten in Kraft treten. Auch wenn das die Folge hat, dass Personen die Kanzlei verlassen, die das Leitbild nicht leben wollen!
  5. Das Leitbild muss inhaltlich konkret sein. Werte, Leitsätze und die aus dem Leitbild abgeleiteten Regeln müssen positiv und negativ abgegrenzt werden, um den nötigen Detailgrad und Genauigkeit für die tägliche Arbeit zu erreichen.
  6. Benennen Sie verantwortliche Personen in der Kanzlei, die die Einhaltung des Leitbilds überwachen. (Neben der Kanzleiführung – diese ist immer für das Leitbild verantwortlich.)

Die Checkliste zur Leitbildentwicklung (Haufe Index 8998033), oder einzelne Teile daraus, können Sie als Mitarbeiterworkshop mit dem gesamten Kanzleiteam oder mit Teilen davon durchführen – an der Vision als dynamischen Teil des Leitbildes arbeiten Sie zunächst nur mit der Kanzleispitze.

Wichtig bei Kanzleien mit mehreren Inhaberinnen bzw. Inhabern: Sie müssen sich 1–2 Tage extra einplanen, um im Partnerkreis Einigkeit über Ihr Leitbild zu erreichen, damit das Leitbild wirklich von allen Partnern gleichermaßen geteilt wird. Sie können bei allen Schritten einen externen Moderator beauftragen. Das ist vor allem dann anzuraten, wenn Ihre Mitarbeiter in Teamsitzungen oder Workshops Ihnen gegenüber relativ zurückhaltend sind oder wenn Sie einschätzen, dass Sie für einen zielführenden Ausgleich unterschiedlicher Partnerinteressen eine neutrale externe Instanz benötigen. (Letzteres ist eher Normal- als Ausnahmezustand in der Praxis.)

Wenn Sie mit dem Erstellungsprozess durch sind, bewerten Sie alle Elemente Ihres Leitbilds – am besten anhand einer Skala von -1 (negativer Einfluss), 0 = kein Einfluss, bis 4 (starker Einfluss) – im Hinblick auf alle Interessensgruppen innerhalb und außerhalb Ihrer Kanzlei, sowie bez. der Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit der Kanzlei. Damit ermitteln Sie, welche Elemente Ihres Leitbilds für alle Personen, die mit Ihrer Kanzlei zu tun haben, am bedeutendsten sind und ob alle Interessensgruppen, die für Ihren Kanzleierfolg relevant sind, ausreichend durch Ihr Leitbild berücksichtigt sind.

Bedenken Sie bei der Bewertung der Elemente Ihres Leitbilds folgende Interessensgruppen:

  • Ihr Team
  • Ihre Mandanten
  • Inhaber der Kanzlei
  • Kooperationspartner

Und darüber hinaus:

  • Wettbewerbsfähigkeit der Kanzlei
  • Wirtschaftliche Schlagkraft

Effektives Führen dank starkem Leitbild

Prinzipiell soll ein Leitbild über einen langen Zeitraum möglichst konstant und immer konsistent bleiben. Dennoch sollten Sie und Ihr Führungsteam

  1. in der täglich Führung wo auch immer möglich auf das Leitbild Bezug nehmen,
  2. regelmäßig (mindestens jährlich) das Leitbild auf seine Passung zu den aktuellen Umständen überprüfen.

Als praktikabel hat sich auch erwiesen, eine (periodisch wechselnde) Personengruppe aus dem Team als „Leitbildwächter“ einzusetzen. Das sind dann diejenigen, die bei den regelmäßigen Teambesprechungen (zusätzlich zu den Führungskräften!) Feedback dazu geben, ob die Dinge in der Kanzlei gerade im Sinne des Leitbilds oder dagegen laufen. Durch wechselnde Besetzung der „Leitbildwächter“ erreichen Sie auch, dass alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sich zeitweise intensiver mit dem Leitbild auseinandersetzen (müssen).

Bei folgenden Kommunikations- und Managementaktivitäten sollten Sie immer einen Bezug zum Leitbild herstellen:

  • jährlichen Kanzlei-Team-Workshops
  • Partner-Workshops
  • monatlichen Partnersitzungen
  • Mitarbeitergesprächen
  • Teamsitzungen
  • bei der Erarbeitung von Strategien und Aktionsplänen

Im Kanzleialltag macht es vor allem die persönliche Kommunikation aller Führungskräfte der Kanzlei aus, wie stark das Leitbild in der Kanzlei sichtbar wird:

  • Welche Werte lebt die Kanzleispitze durch ihre Handlungen vor?
  • Welche Erwartungen und Wünsche über die aktuelle Entwicklung der Kanzlei werden permanent in Teammeetings durch die Kanzleiführung geäußert?
  • Welche „Geschichten“ aus dem Kanzleialltag werden erzählt? (z. B. in Teamsitzungen)
  • Wie wird in positivem und kritischem Feedback den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber auf das Leitbild Bezug genommen?
  • Wie werden beim Delegieren von Aufgaben und Projekten der Zusammenhang und die Bedeutung der Arbeit hinsichtlich der langfristigen Entwicklung der Kanzlei dargestellt?
  • Wie wird allen im Team Partizipation an Entwicklungsprozessen der Kanzlei eingeräumt?
  • In welchem Ausmaß werden Personen in der Kanzlei geduldet, die dem angestrebten Leitbild permanent zuwider handeln?

Und wann beginnt man, über das Leitbild mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu reden? Schon im Recruitingprozess! Denn da werden die wichtigsten gegenseitigen Erwartungen zwischen Personal und Kanzlei gebildet. Dementsprechend sind auch die ersten Wochen in der Kanzlei – die Einarbeitungsphase – maßgeblich dafür, was neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Ihnen in der Kanzlei als gelebte Werte und angestrebte Vision erleben. Nutzen Sie diese Chance in den ersten Wochen – es gibt keine bessere zweite!

Hinweis: Wenn Sie Kunde des Steuer Office Gold oder einer anderen Variante des Steuer Office sind, lesen Sie mehr zu Führung und Leitbild mit praktischen Checklisten und Umsetzungshilfen für die Praxis in dem Beitrag „Steuerkanzleimanagement: Führung und Leitbild“ (Haufe Index 8998033).

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Schlagworte zum Thema:  Kanzlei, Mitarbeiterführung, Steuerberatung