Viele Kanzleichefs verzeichnen hohe Außenstände und gefährden damit ihre Liquidität. Immer mehr Steuerberater setzen daher auf Factoring und verkaufen ihre Forderungen.

Wenn StB Stefan Hetsch seine Rechnungen verschickt, hat er das Geld am nächsten Tag auf dem Konto. "Wir können unsere Liquidität perfekt planen", so der Inhaber einer Steuerkanzlei mit 5 Mitarbeitern in München. Vor 4 Jahren sah das noch anders aus. "Im Schnitt verzeichneten wir Außenstände von bis zu 3 Monatsumsätzen", sagt Hetsch. Zwar kam das Geld am Ende meist doch, aber der Mahnaufwand sei enorm gewesen.

Daher beschloss er, seine Forderungen an die Deutsche genossenschaftliche Verrechnungsstelle für Steuerberater (Degev) zu verkaufen. Damit ist er zufrieden: "Wir konnten die Rentabilität der Kanzlei steigern." Die Mandanten akzeptierten das Verfahren. Hetsch verweist im Zweifel auf Ärzte, die ein analoges Verfahren nutzen. Dann sei die Skepsis vom Tisch.

Der Mandant muss nichts bemerken

Hetsch nutzt Full-Service-Factoring. Er übermittelt seine Rechnungen über eine Schnittstelle an die Degev, den Factor, die ihm sofort den vollen Bruttobetrag ohne Abzug überweist. Zahlt der Mandant nicht pünktlich, übernimmt der Factor das Mahnwesen. Für diesen Service wird monatlich eine Factoringgebühr fällig.

Seit fast 4 Jahren kann der Forderungsverkauf auf Wunsch des Steuerberaters auch ohne Zustimmung der Mandanten laufen. Hintergrund: Steuerberater dürfen nach ihre Honorare jederzeit an Kollegen abtreten, ohne die Zahlungspflichtigen darüber zu informieren.

Die Degev selbst arbeitet mit einer solchen Steuerberatungsgesellschaft zusammen und kann daher das stille Factoring anbieten. Mahnungen werden dabei stets mit dem Briefkopf der abgebenden Kanzlei erstellt. Auch die Überprüfung der Zahlungseingänge erfolgt im Stillen. Die Schuldner erfahren erst im Fall eines gerichtlichen Mahnverfahrens vom Forderungsverkauf. "Ob sie so weit gehen wollen, entscheiden die Steuerberater bei uns aber selbst", sagt Jochen Stepp, Vorstand der Degev.

Auch offenes Factoring ist möglich

Andere Anbieter wie die Anteeo Finance AG der ETL-Gruppe in Essen bieten dagegen nur offenes Factoring. Anteeo hat sich auf ein "selektives Verfahren" spezialisiert: Hier kann der Steuerberater einerseits fallabhängig entscheiden, welche Forderungen er verkaufen will, andererseits ist auch ein Verkauf der Forderungen nach Fälligkeit möglich.

Sollte allerdings der Mandant die Rechnung schlussendlich nicht bezahlen können, wird der offene Betrag der Kanzlei rückbelastet. Die Kosten dafür liegen bei 350 EUR im ersten Jahr, danach 250 EUR per anno. Anteeo bietet Mandanten auch Ratenzahlung an.

Option für "schwierige Fälle"

Steuerberater Detlef Loeschin von der Steuerberatungs-gesellschaft ETL Loeschin & Meiß in Essen nutzt das Anteeo-Angebot seit 2010. "Wir erklären unseren Mandanten das Verfahren in der Regel bereits beim Einstieg in die Beratung. Wir sind mit der Abwicklung sehr zufrieden und auch das Feedback der Mandanten ist positiv." Die Gesellschaft verkauft 5 bis 8 Prozent ihrer Forderungen.

"Wir gehen dazu über, wenn wir befürchten, dass die Rechnung nicht pünktlich bezahlt wird und wir uns das Mahnverfahren sparen wollen", so Loeschin. 

Belastende Gespräche fallen weg

Factoring kann sogar das Verhältnis des Steuerberaters zu den Mandanten entspannen. Dies berichtet StB Phillip Hoff aus Bochum, der alle Forderungen an die Degev verkauft – bis auf die Barzahler. Denn unangenehme Mahngespräche führe dann die Verrechnungsstelle direkt mit den Schuldnern, er selbst bleibt außen vor.


Hier geht's zur Bilderserie "Kanzleien mit und ohne Factoring im Vergleich"