Elektronische Übermittlung der Steuererklärung

Eine Einkommensteuererklärung ist elektronisch zu übermitteln, wenn neben Arbeitnehmereinkünften Gewinneinkünfte i. H. v. über 410 EUR vorliegen.

Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG ist eine Einkommensteuererklärung grundsätzlich (Ausnahme Härtefallregelung, siehe z. B. BFH, Urteil v. 16.6.2020, VIII R 29/19) nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung zu übermitteln, wenn Gewinneinkünfte erzielt werden und es sich nicht um einen der Veranlagungsfälle gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 2 bis 8 EStG handelt.

Wenn neben Arbeitnehmereinkünften Gewinneinkünfte über 410 EUR vorliegen, ist eine Einkommensteuererklärung elektronisch zu übermitteln. In diesem Fall ist der Veranlagungstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfüllt. Der BFH hat sich mit der Frage befasst, ob aufgrund des Wortlauts des § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG eine elektronische Abgabepflicht besteht, wenn neben der Erfüllung des Veranlagungstatbestands nach § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG auch einer der Veranlagungstatbestände des § 46 Abs. 2 Nr. 2 bis 8 EStG erfüllt ist.   

Beispiel: A hat zwei Arbeitsverhältnisse, welche nach Steuerklasse 1 und 6 besteuert werden. Zusätzlich hat er ein Gewerbe mit einem Gewinn i. H. von 10.000 EUR.

BFH entscheidet nach Wortlaut

Hier ist sowohl der Veranlagungstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG als auch der des § 46 Abs. 2 Nr. 2 EStG erfüllt. Entsprechend des Wortlauts des § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG "wenn Gewinneinkünfte erzielt werden und es sich nicht um einen der Veranlagungsfälle gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 2 bis 8 EStG handelt" geht der (BFH, Urteil v. 28.10.2020, X R 36/19) aktuell davon aus, dass – hier – A seine Einkommensteuererklärung nicht elektronisch abgeben muss.

A hat zwar Gewinneinkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. § 15 EStG erzielt. Er fällt aber auch unter den Veranlagungstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 2 EStG, sodass es an der - negativ formulierten - weiteren Voraussetzung des § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG fehlt. Es genügt für die Erfüllung dieses Ausnahmetatbestands von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung, wenn einer der Veranlagungsfälle des § 46 Abs. 2 Nr. 2 bis 8 EStG erfüllt ist. Dass dieses Ergebnis dann nicht gelten soll, wenn zusätzlich der Veranlagungstatbestand des § 46 Abs. 2 Nr. 1 EStG erfüllt ist bzw. diesem Tatbestand Vorrang eingeräumt werden soll, lässt sich dem Gesetzeswortlaut nicht entnehmen.

Der BFH räumt zwar ein, dass die Gesetzesmaterialien insoweit unklar sind; im Zweifel aber einer Auslegung der Vorrang zu geben ist, die mit dem Gesetzeswortlaut in Einklang steht. A kann seine Einkommensteuererklärung daher in Papierform abgeben.

Gewinnermittlung aber elektronisch

Der BFH betont auch, dass nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit erkennbar wird, dass § 25 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 2 EStG einen Normzweck verfolgen soll, der für eine vom Wortlaut abweichende Auslegung streitet. Dies gilt auch, obwohl bei Gewinneinkünften die Gewinnermittlung entweder nach § 5 b EStG (Bilanzierung) oder nach § 60 Abs. 4 EStDV (Einnahmen-Überschuss-Rechnung) elektronisch zu übermitteln ist.

Dies sei aber kein zwingender - und schon gar kein aus der Norm heraus erkennbarer - Grund für eine vom Wortlaut nicht getragene Auslegung. Denn die elektronische Gewinnermittlung mit ihren zahlreichen Kennzahlen bleibe unter dem Gesichtspunkt einer effizienten Verwaltung auch dann sinnvoll, wenn die Einkommensteuererklärung als solche - in die der Gewinn eh nur mit einer Zahl auf der Anlage G eingetragen wird - in Papierform abgegeben wird. Demnach muss trotz der neuen Entscheidung des BFH die Gewinnermittlung weiterhin elektronisch übermittelt werden.

Gesetzesänderung zu erwarten?

Es ist damit zu rechnen, dass eine Gesetzesänderung nicht lange auf sich warten lassen wird. M. E. ist es auch nicht praktikabel, wenn ein Steuerpflichtiger beispielsweise mit einem Arbeitsverhältnis und Steuerklasse 1 seine Steuererklärung (mit Gewinneinkünften) elektronisch abgeben muss und (z. B.) nach einer Freibetragseintragung hierauf verzichten kann. Der Sinn der Entscheidung des BFH ist nur mit dem - tatsächlich - eindeutigen Gesetzeswortlaut zu begründen. Sind aber in der Praxis Gründe für die Abgabe der Einkommensteuererklärung in Papierform - trotz elektronischer Abgabe der Gewinnermittlung – vorhanden, sollte sich zunächst auf die Entscheidung des BFH berufen werden.