Brexit: Reihengeschäft über das Vereinigte Königreich

Im entworfenen Fall liefert die A-GmbH Waren an den Zwischenhändler Y-Ltd im Vereinigten Königreich (UK). Dieser verkauft die Waren weiter an seinen Kunden in Frankreich, die X-SA. Die Ware wird wegen der örtlichen Nähe direkt vom Lager der A-GmbH in Aachen nach Frankreich gebracht.

Eine Bearbeitung der Ware durch Y-Ltd. oder einen Beauftragten erfolgt nicht. Jeder Unternehmer tritt mit der USt-ID seines Ansässigkeitsstaates auf.

  1. Variante: Der Transport wird von der A-GmbH beauftragt.
  2. Variante: Der Transport wird von der X-SA beauftragt.
  3. Variante: Der Transport wird von der Y-Ltd. beauftragt.

Hinweis zu den Fällen: Die in dieser Serie erscheinenden Fälle zum Brexit sind aus der Sicht des immer wahrscheinlicher werdenden "harten" Brexits entworfen worden. Sie behandeln die wesentlichen steuerlichen Fragen, die durch das Ausscheiden von UK aus der EU entstehen.

Lösung:

Die A-GmbH hat, wenn sie die Ware transportiert (Variante 1 und ggf. 3), weiterhin eine innergemeinschaftliche Lieferung zu erklären. Auch für den Fall, dass der Transport durch die X-SA. (und ggf. Variante 3) erfolgt, ändert sich die umsatzsteuerliche Situation für die A-GmbH nicht.

Hintergrundinfo:

Die Ware wird direkt vom ersten Unternehmer (A-GmbH) an den letzten Abnehmer (X-SA) befördert. Damit liegt ein umsatzsteuerliches Reihengeschäft vor. Vor dem Brexit waren alle beteiligten Unternehmer in der EU ansässig, sodass ein innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft gem. § 25b UStG vorlag. Nach dem Brexit sind die allgemeinen Regelungen über Reihengeschäfte anzuwenden.

1. Variante: Transport durch A-GmbH beauftragt

  • Nach dem Brexit: Da die A-GmbH den Transport beauftragt hat, ist die Lieferung umsatzsteuerlich von der A-GmbH an die Y-Ltd. als sog. bewegte Lieferung anzusehen (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG). Diese Lieferung ist zwar in Deutschland als Ort des Beförderungsbeginns steuerbar (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG), aber als innergemeinschaftliche Lieferung gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG in Deutschland steuerfrei. In Frankreich als Ort des Endes der Warenbewegung ist ein entsprechender innergemeinschaftlicher Erwerb zu erklären. Die Lieferung von der Y-Ltd. an die X-SA gilt als unbewegte Lieferung. Ort dieser Lieferung ist gem. § 3 Abs. 7 Nr. 2 UStG in Frankreich als Ort des Beförderungsendes. Die Y-Ltd. hat daher französische Umsatzsteuer auszuweisen und abzuführen. Dazu muss sie sich in Frankreich registrieren. Die A-GmbH hat also (auch) nach dem Brexit eine innergemeinschaftliche Lieferung zu erklären und eine entsprechende zusammenfassende Meldung abzugeben.
  • Vor dem Brexit: Vor dem Brexit war die bewegte Lieferung der A-GmbH an die Y-Ltd. ebenfalls eine innergemeinschaftliche Lieferung nach Frankreich. Allerdings unterlag die Lieferung der Y-Ltd. an die X-SA nach der § 25b UStG entsprechenden Regelung in Frankreich dem Reverse-Charge-System. Damit entfiel die Registrierungspflicht der Y-Ltd.

2. Variante: Transport durch X-SA

  • Nach dem Brexit: Beauftragt die X-SA den Transport, gilt umsatzsteuerlich die Lieferung von Y-Ltd. an die X-SA als bewegte Lieferung. Die Lieferung von der A-GmH an die Y-Ltd. ist dagegen die unbewegte Lieferung. Diese gilt gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG als in Deutschland ausgeführt, als dem Ort des Beförderungsbeginns. Die Rechnung der A-GmbH an die Y-Ltd. hat daher deutsche Umsatzsteuer zu enthalten. Diese kann von der Y-Ltd. im Vergütungsverfahren gem. §§ 59ff. UStDV erstattet werden.
  • Vor dem Brexit: Auch vor dem Brexit entfiel gem. § 25b UStG die Registrierungspflicht der Y-Ltd. Für die A-GmbH hat sich die umsatzsteuerliche Situation nicht verändert.

3. Variante: Transport durch Y-Ltd.

Transportiert die Y-Ltd. die Waren, ist der der Fall wie unter 1. zu betrachten, es sei denn, die Y-Ltd. weist nach, dass sie als Lieferer transportiert. Sofern dies nicht der Fall ist, ist entsprechend Variante 2 zu verfahren.

Checkliste:

  • Liegt ein Reihengeschäft vor?
  • Ist der Zwischenhändler in UK ansässig?
  • Ist der deutsche Unternehmer der erste in der Reihe

Alle 100 Fälle zu den Rechtsfolgen eines "harten" Brexit

In Ihren Haufe Steuer Office Produkten finden Sie aktuell unter dem Haufe Index 12414049 die komplette Fallsammlung zu den wesentlichen steuerlichen Fragen, die durch das Ausscheiden von UK aus der EU im Falle eines "harten" Brexit entstehen. Gegliedert sind die Fälle in 7 Abschnitte mit folgendem Inhalt:

  • Schutzumfang der europäischen Grundfreiheiten;
  • Ertragsteuern der Unternehmen;
  • Umwandlungen;
  • Umsatzsteuer;
  • Zollrecht;
  • Ertragsteuern der natürlichen Personen;
  • Erbschaftsteuer.

Die Fälle werden bei Änderung der rechtlichen Rahmenbedingungen zeitnah angepasst. 

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Schlagworte zum Thema:  Reihengeschäft, Umsatzsteuer, Brexit