Gewinngrenze bei Auflösung eines Investitionsabzugsbetrags

Der Investitionsabzugsbetrag nach § 7g Abs. 1 EStG ist ein attraktives Gestaltungsinstrument für kleine und mittlere Betriebe. Im Top-Thema werden neue Rechtserkenntnisse und Rechtsentwicklungen zur Anwendung sowie die Änderungen der Vorschrift durch das Steueränderungsgesetz 2015 aufgezeigt.

Damit gewährleistet ist, dass nur mittelständische Unternehmen in den Genuss des Investitionsabzugsbetrags kommen, darf bei Gewerbetreibenden, selbstständig Tätigen und Land- und Forstwirten mit Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG der Gewinn ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags nicht mehr als 100.000 EUR betragen (§ 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c EStG). Das bedeutet, dass bei der Ermittlung der Bezugsgröße "Gewinn" der Investitionsabzugsbetrag außer Ansatz bleibt. Dass dies für den nach § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG in Anspruch genommenen Betrag als außerbilanzielle Kürzung bzw. Kürzung außerhalb der Gewinnermittlung gilt, ist eindeutig. Ob das auch für den Auflösungsbetrag nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG als außerbilanzielle Hinzurechnung bzw. Hinzurechnung außerhalb der Gewinnermittlung gilt, war umstritten.

Beispiel: Ermittlung der Gewinngrenze

A ist als Arzt freiberuflich tätig. Er ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmenüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Im Jahr 2014 bildete A für die geplante Anschaffung eines Röntgengeräts gewinnmindernd einen Investitionsabzugsbetrag von 40 % von 50.000 Euro = 20.000 EUR. Das Gerät wurde im August 2015 für 50.000 EUR angeschafft.

Im Jahr 2015 ist der Investitionsabzugsbetrag von 20.000 EUR – wegen Anschaffung des begünstigten Wirtschaftsguts – außerhalb der Gewinnermittlung dem Gewinn 2015 hinzuzurechnen (§ 7g Abs. 2 Satz 1 EStG). Demgegenüber "können" die Anschaffungskosten um bis zu 40 % = 20.000 EUR – innerhalb der Gewinnermittlung - im Jahr 2015 als Betriebsausgaben, höchstens jedoch um den in 2014 in Anspruch genommenen Investitionsabzugsbetrag, gewinnmindernd herabgesetzt werden werden (§ 7g Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz EStG). Die Bemessungsgrundlage für die AfA beträgt dann 50.000 EUR ./. 20.000 EUR= 30.000 EUR (§ 7g Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz EStG).

Der nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte Gewinn 2015 beläuft sich nach gewinnmindernder Herabsetzung der Anschaffungskosten um 20.000 Euro auf 95.000 Euro. Infolge der Hinzurechnung des 2014 gebildeten Investitionsabzugsbetrags von 20.000 EUR nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG erhöht sich der Gewinn auf 115.000 EUR.

Frage: Kann A im Jahr 2015 einen "neuen" Investitionsabzugsbetrag z. B. für die beabsichtigte Anschaffung eines Ultraschallgeräts bilden, oder ist dies unzulässig, weil die Gewinngrenze von 100.000 EUR infolge der gewinnerhöhenden Auflösung des Investitionsabzugsbetrags überschritten ist?

Lösung: Für die Frage, ob die Gewinngrenze von 100.000 EUR überschritten ist, sind zwar die Auflösung der Ansparabschreibung, die der Steuerpflichtige in einem Vorjahr nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. gebildet hat, und der Gewinnzuschlag nach § 7g Abs. 5 EStG a.F. gewinnerhöhend zu berücksichtigen (BFH, Urteil v. 15.4.2015, VIII R 29/13, BFH/NV 2015 S. 1463). Diese Rechtsprechung ist auf den Investitionsabzugsbetrag jedoch nicht anwendbar. Denn der Gewinn ist für die maßgebliche Grenze von 100.000 EUR "ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags" zu ermitteln. Unter die Gesetzesformulierung "ohne Berücksichtigung des Investitionsabzugsbetrags" lassen sich auch aufzulösende Investitionsabzugsbeträge subsumieren. Der aufgelöste Investitionsabzugsbetrag von 20.000 EUR bleibt bei der Ermittlung der Gewinngrenze 2015 unberücksichtigt, sodass die Gewinngrenze nicht überschritten ist.