Durch "Pillar Two" droht steigende Steuerunsicherheit

Im Zuge des BEPS-Projekts der OECD hat die globale Mindestbesteuerung multinationaler Unternehmen ("Pillar Two") zunehmend internationale Diskussionen angeregt. In diesem Zusammenhang ist es von höchster Relevanz, die Rechtssicherheit der Verrechnungspreise aus der Perspektive der Pillar Two Regelungen zu gewährleisten.

Das Scheitern dieser Maßnahme könnte dazu führen, dass multinationale Unternehmen bald nicht nur im derzeitigen Körperschaftsteuersystems, sondern möglicherweise auch aufgrund der Wechselwirkung zwischen dem derzeitigen Körperschaftsteuer-/Verrechnungspreissystem und dem Pillar Two-System einer Doppelbesteuerung ausgesetzt sein werden.

Pillar Two Regelungen und die Berechnung des effektiven Steuersatzes

Die Pillar Two Regelungen (Global Anti-Base Erosion (GloBE)/ Qualified Domestic Minimum Top-up Tax (QDMTT)) erfordern von allen multinationalen Unternehmen im Geltungsbereich die Berechnung des effektiven Steuersatzes für ein bestimmtes Land auf Basis eines "Jurisdictional Blending"-Ansatzes, sofern diese dort Tochtergesellschaften oder Betriebsstätten unterhalten.

Die Formel zur Berechnung des effektiven Steuersatzes entspricht den Adjusted Covered Taxes geteilt durch das bereinigte GloBE-Einkommen. Ausgangspunkt für die Berechnung des bereinigten GloBE-Einkommens eines Unternehmens bilden dessen Einzelabschlüsse.

Einfluss von Verrechnungspreisen in die Berechnung des bereinigten GloBE-Einkommens

Es ist jedoch möglich, dass die in diesen Abschlüssen ausgewiesenen konzerninternen Preise aufgrund von Verrechnungspreisregelungen von denen abweichen, die für die Zwecke des steuerpflichtigen Einkommens ausgewiesen werden. Dies könnte auf Vorabverständigungsvereinbarungen (APAs), ausgleichende Anpassungen, die über die Steuererklärung berücksichtigt werden, oder Steuerprüfungen (einschließlich Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren) zurückzuführen sein.

In diesem Zusammenhang sieht Artikel 3.2.3 der sogenannten OECD Model Rules und die dazugehörige Kommentierung die Einhaltung des Fremdvergleichsgrundsatzes vor. Das bedeutet, dass in bestimmten Fällen, die für steuerliche Zwecke gemeldeten Verrechnungspreise in die Berechnung des bereinigten GloBE-Einkommens je Land einfließen würden, im Gegensatz zu den im Jahresabschluss ausgewiesenen Informationen.

Wachsende Komplexität und Notwendigkeit von Gewissheit bei Verrechnungspreisen

Diese Problematik kann sich auf verschiedene Arten manifestieren. Multinationale Unternehmen können aufgrund fehlender Absicherung ihrer Verrechnungspreispositionen im Vorhinein (z.B. über Vorabverständigungsverfahren / APAs) zusätzlichen Steuern ausgesetzt sein. Die Situation kann sich weiter verkomplizieren, wenn einseitige Anpassungen aufgrund von APAs oder Steuerprüfungen vorgenommen werden.

In diesen Fällen sieht der Kommentar zu den GloBE-Vorschriften vor, dass Verrechnungspreisanpassungen nur insoweit in die GloBE-Berechnungen einfließen, als diese Anpassungen dazu beitragen, eine Doppelbesteuerung oder doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden. Andererseits fließen die Zahlen der Finanzbuchhaltung in die GloBE-Berechnungen ein, wenn die einseitigen Anpassungen zu einer Doppelbesteuerung oder zu einer doppelten Nichtbesteuerung in Niedrigsteuerländern führen. Die in den Kommentaren zum Ausdruck gebrachte Position weicht vom einfachen Wortlaut des Artikels 3.2.3 der Model Rules ab, und diese Diskrepanz könnte, je nach Rechtsprechung, zu überflüssigen Streitigkeiten führen.

Streitigkeiten und fehlende Streitbeilegungsmechanismen

Nicht nur die fremdvergleichsbezogenen Anforderungen könnten unterschiedlich von den Ländern ausgelegt werden, sondern auch der Wortlaut von z. B. Artikel 3.2.3, 3.4 und 4.6.1 der Verrechnungspreisregeln. Daher ist zu erwarten, dass es angesichts einer uneinheitlichen Anwendung der Vorschriften durch die Steuerbehörden verschiedener Länder bei der Zuweisung von GloBE-Besteuerungsrechten zu zahlreichen Streitigkeiten kommen wird.

Derzeit existiert kein spezifischer Rahmen für die Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Pillar Two Regeln. Außerdem können sich multinationale Unternehmen bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit GloBE nicht auf Artikel 25 Absatz 1 und Artikel 25 Absatz 5 des OECD-Musterabkommens berufen, da es sich nicht um Vertragsstreitigkeiten handelt. Sie können sich möglicherweise auf Artikel 25 Absatz 3 berufen, in dem es um die Beseitigung der Doppelbesteuerung in Fällen geht, die in dem Abkommen nicht vorgesehen sind. Diese Bestimmung wird jedoch in der Praxis nicht häufig angewandt und sieht keinen verbindlichen Streitbeilegungsmechanismus vor.

Die im Dezember 2023 vom Inclusive Framework der OECD veröffentlichten Verwaltungsrichtlinien („Administrative Guidance“) bieten umfangreiche Anweisungen zur Anwendung der temporären Safe Harbour Regelung, auch bekannt als die "Country-by-Country" oder CbCR-Safe-Harbour. Gemäß Ziffer 2.3.3 der Richtlinien dürfen Verrechnungspreisanpassungen in Abweichung von den Jahresabschlüssen im Qualified CbCR nicht berücksichtigt werden.

Fazit: Gewissheit über Verrechnungspreise gewinnt an Relevanz

Während die OECD weiter an der Dimension der Steuersicherheit des Projekts arbeitet, wird es für multinationale Unternehmen von entscheidender Bedeutung sein, sich im Vorhinein Rechtssicherheit über ihre Verrechnungspreise zu verschaffen, und zwar nicht nur für Körperschaftssteuerzwecke, sondern auch im Kontext von Pillar Two. Nur so lassen sich Überbesteuerungen und verfahrenstechnische Probleme vermeiden. Es ist zu erwarten, dass APAs, Joint Audits und andere Instrumente für multinationale Unternehmen in Zukunft eine noch wichtigere Rolle spielen werden, um ihr Steuerrisiko zu kontrollieren.