Scheinselbstständigkeit nach Betriebsprüfung erkannt

Bei einer Betriebsprüfung wurde festgestellt, dass ein Inkassounternehmen "Scheinselbstständige" beschäftigte. Der Betriebsprüfdienst der DRV forderte über 40.000 EUR Sozialversicherungsbeiträge nach. Das SG Heilbronn entschied: Die Nachforderung ist rechtens.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund führte bei einem Heilbronner Inkassounternehmen führte Ende des Jahres 2011 eine Betriebsprüfung durch. Dabei wurde festgestellt, dass für eine "Vertriebsmitarbeiterin im Außendienst" Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von mehr als 40.000 EUR für den Prüfzeitraum von 2007 bis 2011 nachzuzahlen sind. Grund: Der Betriebsprüfdienst der DRV wertete die Tätigkeit der Vertriebsmitarbeiterin als abhängige Beschäftigung und stellte eine sog. "Scheinselbstständigkeit" fest. Das Inkassounternehmen war abweichend davon von einer selbstständigen Tätigkeit ausgegangen - weswegen auch keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden.

Wesentliche Merkmale der Tätigkeit deuten auf Scheinselbstständigkeit hin

Die Vertriebsmitarbeiterin hatte im Prüfzeitraum für das Inkassounternehmen an Schulungen teilgenommen und regelmäßig von ihrem häuslichen Büro aus zur Neukundengewinnung vorgegebene Adresslisten abtelefoniert.  Hierfür erhielt sie eine stündliche Vergütung von 20 EUR. Für einen vereinbarten Vorstellungstermin des Inkassounternehmens mit einem möglichen Neukunden erhielt sie zusätzlich eine Provision von 75 EUR sowie gelegentlich einen nachträglichen, vom weiteren Verlauf der Kundenbeziehung abhängigen weiteren Bonus. Daneben erhielt die Vertriebsmitarbeiterin monatlich pauschal 150 EUR für die Bestandskundenbetreuung. Im Internetauftritt des Inkassounternehmens wurde die Vertriebsmitarbeiterin als „Vertriebsassistentin - Region Nord/West“ unter Angabe einer Telefon-Durchwahl genannt.

Scheinselbstständigkeit oder selbstständige Tätigkeit?

Das Inkassounternehmen - ein mittelständischer Betrieb mit rund 60 Mitarbeitern und über 1.000 Auftraggebern aus verschiedenen Branchen - ging jedoch davon aus, dass die Vertriebsmitarbeiterin in ihrer Tätigkeit Selbstständige gewesen sei. Hierfür wurden folgende Gründe angeführt:

  • Sie habe ihre Zeit frei einteilen können.
  • Sie habe für die Tätigkeit ein zusätzliches Zimmer (im selben Haus wie die Wohnung) für 200 EUR Miete incl. Nebenkosten angemietet.
  • Sie habe sie ihre Vergütung durch Provisionen steigern können.

Zudem sei die gegenseitige Zusammenarbeit im Mai 2012 beendet worden.

Klage gegen die Feststellung der Scheinselbstständigkeit gescheitert

Das Sozialgericht (SG) Heilbronn hat die Klage des Inkassounternehmens abgewiesen (Urteil v. 10.12.2013, S 11 R 701/13). Die Richter sahen die Merkmale einer abhängigen Beschäftigung gegenüber denjenigen einer selbständigen Tätigkeit als überwiegend. Ein wesentliches Merkmal einer Selbstständigkeit - das unternehmerische Risiko - sei nicht erkennbar. Zudem habe die Vertriebsmitarbeiterin auch bei erfolgloser Telefonakquise eine Vergütung (Stundensatz 20 EUR) erhalten. Sie habe in ihrer Tätigkeit nach festen Vorgaben (Abtelefonieren von Adresslisten)  gehandelt. Insgesamt unterschiede sich die Tätigkeit der Vertriebsmitarbeiterin  nicht wesentlich von der seinerzeit bei dem Inkassounternehmen fest angestellten Vertriebsassistenten.

Das Urteil des SG Heilbronn ist noch nicht rechtskräftig.

Begriffsdefinition einer Beschäftigung im Sozialversicherungsrecht

Nach § 7 Abs. 1 SGB IV wird eine (abhängige) Beschäftigung Folgendermaßen beschrieben: Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

Praxistipp: Mit unserer Checkliste können Sie in Zweifelsfällen Punkt für Punkt anhand der Tätigkeitsmerkmale eine Beschäftigung von einer Selbstständigkeit abgrenzen.

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