Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Überprüfungsantrag gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid. unrichtige Rechtsanwendung. Unbeachtlichkeit einer unterlassenen Anhörung. Maßgeblichkeit der materiellen Rechtslage. Zulässigkeit eines Austauschs der Rechtsgrundlage von § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 zu § 45 Abs 2 S 3 Nr 3 SGB 10. Bestimmtheit. Heilung des Fehlens einer monatsbezogenen Aufschlüsselung des Erstattungsbetrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die wegen mangelnder monatsbezogener Aufschlüsselung der SGB 2-Aufhebung im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gerügte Unbestimmtheit des Aufhebungsbescheids kann geheilt werden.

2. Das Gericht kann eine von der Behörde allein auf § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10 gestützte SGB 2-Aufhebungsentscheidung grundsätzlich nach § 45 Abs 2 SGB 10 für rechtmäßig erklären.

 

Orientierungssatz

Aufgrund der Maßgeblichkeit der jeweiligen materiellen Rechtslage müssen Verstöße gegen nicht dem materiellen Recht zuzurechnende Vorschriften (zB reine Formverstöße sowie die Verletzung der Anhörungspflicht) im Rahmen des § 44 SGB 10 außer Betracht bleiben.

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. November 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid.

Die im Jahre 1971 geborene Klägerin bezieht zusammen mit ihrem im Jahre 1966 geborenen Lebensgefährten … und ihren beiden 1988 und 1996 geborenen Kindern seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Für den hier streitigen Zeitraum September 2005 bis März 2006 bewilligte der Beklagte der Klägerin sowie ihrem Lebensgefährten und ihren Kindern mit Bescheiden vom 14. April 2005 (iür Mai bis Oktober 2005, Bl. 108 ff. d.A.) und vom 01. November 2005 (für November 2005 bis April 2006, Bl. 124 ff. d.A.) nebst Änderungsbescheiden vom 24. August 2005 (Bl. 116 ff. d.A.), vom 17. Januar 2006 (Bl. 130 ff. d.A.) sowie vom 14. März 2006 (Bl. 140 d.A.) SGB II - Leistungen. Nachdem dem Beklagten bekannt geworden war, dass der Lebensgefährte der Klägerin von September 2005 bis März 2006 ein monatlich zum 15. gezahltes Einkommen aus Erwerbstätigkeit nach einem monatlichen Nettoentgelt von EUR 400,00 erzielt hatte, hörte er diesen mit Schreiben vom 18. Mai 2006 (Bl. 113 f. d. VwA.) zu der Überzahlung in Höhe von EUR 1.802,94 (für die gesamte Bedarfsgemeinschaft) und zu der beabsichtigten Aufhebung der Bewilligung und der Aufrechnung gegen laufende Leistungen an.

Am 28. Juli 2006 erließ der Beklagte einen an die Klägerin gerichteten und auf § 48 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützten Aufhebungs- und Erstattungsbescheid (Bl. 153 f. d. VwA.). Dieser lautet u.a. wie folgt:

"teilweise Aufhebung der Bescheide vom 14.04.2005 sowie vom 01.11.2005 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Die Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II werden vom 01.09.2005 bis 31.03.2006 teilweise in Höhe von EUR 1.802,94 aufgehoben."

In dem Bescheid ist weiter ausgeführt: "Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in die Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (§ 24 Abs. 1 SGB X). Herr … hat von der gegebenen Möglichkeit der Äußerung auf meine Anhörung vom 18. Mai 2006 keinen Gebrauch gemacht, so dass nunmehr nach Aktenlage zu entscheiden war."

Der Bescheid wurde bestandskräftig. Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15. September 2008 (Bl. 450 f. d. VwA.) beantragte die Klägerin die Überprüfung des Bescheides. Dieser sei zu unbestimmt. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 19. Januar 2009 (Bl. 453 d. VwA.), dem eine Aufstellung der Ermittlung der individuellen monatlichen Überzahlungsbeträge beigefügt war (Bl. 454 ff. d. VwA), abgelehnt. Der Widerspruch der Klägerin vom 20. Februar 2009 blieb erfolglos. Gegen den Widerspruchsbescheid vom 19. November 2009 (Bl. 611 f. d. VwA.) hat die Klägerin am 21. Dezember 2009 Klage erhoben. Im Laufe des Verfahrens vor dem Sozialgericht hat der Beklagte die Erstattungsforderung auf den auf die Klägerin entfallenden Anteil (EUR 697,78, Bl. 37 d.A.) reduziert. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen. Die über das Teilanerkenntnis hinausgehende Klage hat das Sozialgericht durch Urteil vom 23. November 2011 abgewiesen. Die Berufung wurde zugelassen. Gegen das am 10. Januar 2012 zugestellte Urteil richtet sich die am 10. Februar 2012 beim Landessozialgericht eingegangene Berufung.

Die Klägerin hält den Aufhebungs- und Erstattungsbescheid nach wie vor für zu unbestimmt.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nordhausen vom 23. November 2011 und den Bescheid vom 19. Januar 2009 in Gestalt des Widerspruchs...

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