Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen des Anfalls der Erledigungsgebühr im sozialgerichtlichen Verfahren

 

Orientierungssatz

1. Der Anfall der Erledigungsgebühr setzt nach §§ 1006, 1002 VV RVG ein besonders qualifiziertes Tätigwerden des Rechtsanwalts voraus. Hat der Anwalt ein volles Anerkenntnis des Beklagten angenommen und den Rechtstreit für erledigt erklärt, so ist die Erledigungsgebühr nicht angefallen. Ein verbleibender Streit über die Kosten des Verfahrens ist insoweit unschädlich.

2. Soweit in der Hauptsache über die Kosten eines isolierten Vorverfahrens gestritten wird, handelt es sich nicht um Kosten i. S. von § 193 SGG.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 19. November 2015 (S 13 SF 1915/13 E) aufgehoben und die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung des Beschwerdeführers für das Verfahren S 30 AS 5332/11 auf 332,51 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung für ein beim Sozialgericht Nordhausen (SG) anhängig gewesenes Verfahren (S 30 AS 5332/11) der von dem Beschwerdeführer vertretenen Klägerin.

Mit der am 15. Juli 2011 erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 12. Mai 2011 (Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ für die Zeit vom 1. Juni bis 30. November 2011) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2011 hatte die Klägerin Leistungen nach dem SGB II "in gesetzlicher Höhe", die Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren und die Notwendigkeit der Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten geltend gemacht. Mit Schriftsatz vom 17. Februar 2012 begehrte sie die Kostenentscheidung des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2012 (W 5873/11) insoweit abzuändern, als die Beklagte die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren zu tragen habe und die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für notwendig erachtet werde. Im Erörterungstermin am 30. Oktober 2012, der von 12:00 Uhr bis 13:48 Uhr dauerte und drei weitere Verfahren der Klägerin umfasste, bewilligte das SG der Klägerin Prozesskostenhilfe (PKH). Die Beklagte erklärte sich bereit, "ohne Neuverbescheidung für den Leistungszeitraum 1.06.2011 bis 30.11.2011 an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 48,00 € auszuzahlen". Der Beschwerdeführer nahm das Anerkenntnis an, erklärte die Klage im Übrigen in der Hauptsache für erledigt und beantragte eine Entscheidung über die Kosten. Mit Beschluss vom 5. Dezember 2012 verpflichtete das SG die Beklagte zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu einem Drittel.

Unter dem 28. Januar 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Festsetzung folgender Gebühren für das Klageverfahren:

Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG

 170,00 Euro

Terminsgebühr Nr. 3106 VV-RVG

 200,00 Euro

Erledigungsgebühr Nr. 1006, 1005 VV-RVG

 190,00 Euro

Fahrtkosten und Abwesenheitsgeld Vorb. Nr. 7 VV-RVG

 7,42 Euro

Post- und Telekommunikationsentgelt Nr. 7002 VV-RVG

20,00 Euro

Zwischensumme

587,42 Euro

Umsatzsteuer Nr. 7008 VV-RVG

111,61 Euro

Summe 

699,03 Euro

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) setzte mit Kostenfestsetzungsbeschluss (richtig: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) vom 17. September 2013 die zu zahlende Vergütung auf 445,56 Euro fest. Von dem Betrag in Höhe von 699,03 Euro seien 253,47 Euro abzusetzen. Zur Begründung für die Absetzungen führte die UdG aus, hinsichtlich der Verfahrensgebühr werde die um 40 v.H. geminderte Mittelgebühr als angemessen erachtet. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei durchschnittlich, Umfang und Schwierigkeiten der anwaltlichen Tätigkeiten seien unterdurchschnittlich ebenso die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin. Die Terminsgebühr werde auf 150,00 Euro festgesetzt, bei der Einigungsgebühr werde die um 50 v.H. geminderte Mittelgebühr (95,00 Euro) als angemessen erachtet.

Hiergegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt mit dem Antrag, die Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV-RVG in Höhe von 170,00 Euro und die Terminsgebühr auf 200,00 Euro festzusetzen. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit seien zumindest durchschnittlich gewesen. Die Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin sei weit überdurchschnittlich gewesen. Eine volle Terminsgebühr entstehe bereits, wenn der Anwalt einen Termin wahrnehme bzw. auftrete und Verhandlungsbereitschaft anzeige. Dies sei hier der Fall gewesen. Die Erledigungsgebühr sei entstanden, weil er ein Teilanerkenntnis angenommen habe. Aufgrund eines Beschlusses des Sozialgerichts Nordhausen sei bei zumindest rechtswahrend erhobenen Klagen von einer Gebühr in Höhe von 60 v.H. auszugehen. Der Beschwerdegegner hat ebenfalls Erinnerung eingelegt und die Festsetzung der Erledigungsgebühr nach Nr. 1006 VV-RVG beanstandet. Eine qualifizi...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt SGB Office Professional . Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge