Entscheidungsstichwort (Thema)

Verhängung von Missbrauchskosten. Aussetzung der Vollstreckung

 

Orientierungssatz

1. Das Urteil eines Sozialgerichts ist bezüglich der verhängten Verschuldenskosten eine gerichtliche Entscheidung iS von § 199 Abs 1 S 1 SGG (vgl LSG Halle vom 28.5.2003 - L 1 RA 36/03 ER = NZS 2003, 503).

2. Die Aussetzung nach § 199 Abs 2 S 1 SGG liegt im pflichtgemäßen Ermessen des Senatsvorsitzenden (vgl BSG vom 26.11.1991 - 1 RR 10/91 = USK 91155) und ist zB dann gerechtfertigt, wenn die Berufung offensichtlich Aussicht auf Erfolg hat oder bei erheblichen Verfahrensfehlern.

3. Missbräuchlichkeit iS von § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG liegt immer dann vor, wenn das Verfahren fortgesetzt wird, obwohl es für jedermann, vor allem Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege, erkennbar ist, dass dies aussichtslos ist (vgl BVerfG vom 24.5.2006 - 2 BvR 719/06 = NL-BzAR 2006, 471).

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Aussetzung der Vollstreckung der Verschuldenskosten aus dem Urteil des Sozialgerichts Gotha vom 6. Juli 2006 (Az.: S 10 R 63/05) wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

In der Hauptsache streiten die Beteiligten, ob die Beklagte als Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme der Anlage 1 Nr. 1 bis 26 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) nach § 8 AAÜG die Beschäftigungszeiten vom 1. Januar 1964 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem und die in diesen Zeiten tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte festzustellen hat.

Der Antragsteller ist Diplom-Chemiker und war bei mehreren Volkseigenen Betrieben (VEB) tätig, zuletzt bei dem VEB Chemieanlagenbaukombinat L. als Gruppenleiter Anfahrtechnik. Seinen Antrag vom Juni 1999 auf Feststellung der Zeiten seiner Beschäftigung als Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. September 2000 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 9. Januar 2001 zurück. Die Klage lehnte das Sozialgericht Leipzig mit Urteil vom 30. Oktober 2002 (Az.: S 13 RA 119/01) ab; die Berufung wies das Sächsische Landessozialgericht mit Urteil vom 9. Juli 2003 (Az.: L 4 RA 322/02) zurück. . Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision verwarf das Bundessozialgericht mit Beschluss vom 29. April 2004 (Az.: B 4 RA 207/03 B) als unzulässig.

Am 29. August 2004 wiederholte der Kläger den Antrag auf Feststellung seiner Zeiten mit der Begründung, er habe die Tätigkeit eines Werksdirektors ausgeübt. Die Beklagte lehnte eine Überprüfung nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch mit Bescheid vom 31. August 2004 ab und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 7. Dezember 2004 zurück.

Auf die Klageerhebung hat der Kammervorsitzende des Sozialgerichts den Kläger mit Verfügung vom 14. Januar 2005 darauf hingewiesen, dass er als Diplom-Chemiker nicht dem Anwendungsbereich der zusätzlichen Altersversorgung unterliege und die Klage angesichts der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts und des Bundesverfassungsgerichts keine Erfolgsaussicht habe. Es werde dringend angeraten, die Klage zurückzunehmen. Falls dies nicht erfolge, werde das Gericht Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumen. Es sei dann beabsichtigt, ihm Verschuldenskosten nach § 192 SGG in Höhe bis zu 500,00 Euro aufzuerlegen.

Mit seiner anschließenden Klagebegründung hat der Kläger vorgetragen, er habe in seiner Position als Anfahrleiter wie ein Werks- oder Betriebsdirektor selbständig neu errichtete Werke bis zu deren Übergabe geleitet; er sei daher diesem in seiner Verantwortung und in seiner Tätigkeit gleichzustellen.

Ausweislich der Niederschrift der Sitzung .des Sozialgerichts vom 6. Juli 2006 erschienen nach Aufruf der Sache der Kläger und sein bevollmächtigter Rechtsanwalt. Es findet sich dort folgender Vermerk: “Der Vorsitzende weist auf die objektive Aussichtslosigkeit der Klage hin und erteilt den Hinweis auf § 192 SGG„. Mit Urteil vom gleichen Tag hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und den Kläger dazu verpflichtet, an die Staatskasse Verschuldenskosten in Höhe von 300,00 Euro zu zahlen. Dieser erfülle als Diplom-Chemiker nicht die persönliche Voraussetzung für die fiktive Einbeziehung in die Zusatzversorgung entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG). Er habe zu den Betrieben, bei denen er die Funktion des Werksdirektors ausgeübt habe, keine arbeitsvertraglichen Beziehungen gehabt. Ob er wie ein Werksdirektor eingesetzt worden sei, könne dahingestellt bleiben, weil die Aufzählung in der Versorgungsordnung abschließend sei. Bei der Höhe der verhängten Verschuldenskosten habe die Kammer eine Auskunft des Präsidenten des Thüringer Landessozialgerichts berücksichtigt, wonach die durchschnittlichen Verfahrenskosten bei 728,02 Euro lägen. Auf das Urteil entfalle nach Schätzung der Kammer etwa die Hälfte für den Aufwand der Abfassung und Ausfertigung des Urteils.

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