Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Übernahme von Miet- und Stromschulden. Leistungsausschluss für Ausländer ohne Aufenthaltsrecht. Verlustfeststellung. Notwendigkeit zur Sicherung der Unterkunft. fehlende Bleibeperspektive. Vorrang der Selbsthilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die förmliche Feststellung des Verlusts des Freizügigkeitsrechts durch die Ausländerbehörde entfaltet bindende Wirkung jedenfalls auf der Grundlage des § 7 Abs 1 S 4 SGB II, der bezüglich des gewöhnlichen Aufenthalts und der Leistungsberechtigung auf den bloßen Erlass einer Verlustfeststellung abstellt (vgl hierzu Parallelverfahren S 13 AS 1656/20 ER).

2. Voraussetzung für eine Übernahme von Mietschulden durch den Leistungsträger ist der zu erwartende langfristige Erhalt der Wohnung. Stellt die Ausländerbehörde den Verlust des Freizügigkeitsrecht sowie die Ausreiseverpflichtung unter Androhung der Abschiebung fest, kann dieser Zweck mangels Bleibeperspektive nicht erreicht werden.

3. Der Grundsatz der Vorrangigkeit der Selbsthilfemöglichkeiten gilt auch für die Übernahme rückständiger Energiekosten. Der Leistungsbezieher hat vorrangig sämtliche zur Verfügung stehenden anderen Mittel und Möglichkeiten einzusetzen, bevor öffentliche Leistungen zur Schuldentilgung in Anspruch genommen werden dürfen.

 

Tenor

I. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes vom 19.10.2020 wird abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Übernahme von Miet- und Stromschulden durch den Antragsgegner.

Der 1980 geborenen Antragstellerin sowie ihrer 2004 geborenen Tochter, die beide georgische Staatangehörige sind, wurden mit Beschluss des Sozialgerichts München vom 26.10.2020 (Az.: S 13 AS 1656/20 ER) vorläufig Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom 07.10.2020 bis 31.10.2020 zugesprochen. Zuvor erhielten sie aufgrund des Beschlusses des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27.05.2020 (Az.: L 16 AS 238/20 B ER) mit vorläufigem Bewilligungsbescheid des Antragsgegners vom 05.06.2020 SGB II-Leistungen für die Zeit vom 12.03.2020 bis 30.09.2020. Für die gemeinsam bewohnte Wohnung in der A-Straße in A-Stadt fällt, ausweislich des Mietvertrags vom 02.08.2018, ein monatlicher Mietzins von 612,16 Euro an (Grundmiete: 476,16 Euro, Vorauszahlung für kalte Betriebskosten: 104 Euro, Vorauszahlung für Heizkosten: 32 Euro).

Mit Bescheiden vom 23.10.2020 gerichtet an die Antragstellerin, zugleich als gesetzliche Vertreterin ihrer Tochter, stellte das Kreisverwaltungsreferat der A-Stadt für beide fest, dass diese ihr Recht auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet verloren haben, kein Daueraufenthaltsrecht EU entstanden ist, die ihnen erteilte Aufenthaltskarte EU bis 26.11.2023 nachträglich zeitlich bis zum 01.11.2020 befristet wird, die Aufenthaltskarte EU einzuziehen ist und beide verpflichtet sind, das Bundesgebiet bis spätestens 23.11.2020 zu verlassen unter Androhung der Abschiebung nach Griechenland bei nicht fristgerechter Ausreise.

Am 22.08.2020 stellte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Antrag auf Übernahme des (vollen) Mietzinses für Februar in Höhe von 650,16 Euro sowie des (teilweisen) Mietzinses für März 2020 in Höhe von 356,04 Euro sowie für Juli bis August 2020 in Höhe von jeweils 38 Euro, insgesamt 1.154,64 Euro. Mit weiterem Schreiben vom 03.09.2020 beantragte die Antragstellerin unter Vorlage diverser Rechnungen u.a. beim Antragsgegner die Übernahme offener Abschlagszahlungen für Strom des Anbieters M. GmbH (zuletzt: Zahlungsaufforderung der L. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH vom 04.08.2020 in Höhe von 409,18 Euro, davon ausstehende Abschlagszahlungen für Juni bis August 2020 in Höhe von jeweils 103 Euro sowie Bank- und Mahngebühren in Höhe von 100,18 Euro).

Am 19.10.2020 hat die Antragstellerin Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beim Sozialgericht München gestellt. Mit ihrem Antrag reichte die Antragstellerin eine handschriftliche Erklärung des Herrn B. vom 03.09.2020 ein, wonach dieser der Antragstellerin in den Monaten Februar bis Juli 2020 1.000 Euro geliehen hat, ein Schreiben der Rechtsanwaltskanzlei C. mit Zahlungsaufforderung über 186,09 Euro vom 18.08.2020 sowie vom 02.09.2020, wonach aufgrund einer nicht beglichenen Forderung der H. Co. KG gerichtliche Schritte gegen die Antragstellerin eingeleitet werden, sollte nicht bis 07.09.2020 eine Zahlung erfolgen. Von ihrem Stromversorger, der M. GmbH, war dem Antrag ein als "2. Mahnung" bezeichnetes Schreiben vom 21.07.2020 mit offenen Abschlagszahlungen (Fälligkeit 01.06.2020 und 01.07.2020 in Höhe von jeweils 103 Euro) sowie Bank- und Mahngebühren in Höhe von 29,98 Euro beigefügt, daneben eine Forderungsaufstellung vom 22.09.2020 über 589,11 Euro, die zur Wiederaufnahme der Stromversorgung bis 06.10.2020 zu überweisen sind (offene Abschlagszahlungen für die Monate Juni bis September 2020 in Höhe von jeweils 103 Euro, Bank-, Ma...

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