Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Rücknahme des Antrags auf Ausschreibung eines Vertragsarztsitzes. Tag der Entscheidungsfindung durch Zulassungsausschuss

 

Leitsatz (amtlich)

Die Rücknahme des Antrags auf Ausschreibung eines- hier: hälftigen - Vertragsarztsitzes ist nur bis zur Auswahlentscheidung des Zulassungsausschusses möglich. Dabei ist zum Schutz des ausgewählten Bewerbers auf den Tag der Entscheidungsfindung des Zulassungsausschusses, nicht auf die Zustellung des schriftlichen Bescheids abzustellen (Anschluss an SG Berlin vom 14.10.2008 - S 83 KA 543/08 ER). Ein Widerspruch des den Vertragsarztsitz abgebenden Arztes ist daher ohne Erfolgsaussicht.

 

Tenor

1. Es wird die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 03.12.2010 bis 1 Monat nach einer Entscheidung des Berufungsausschusses über den Widerspruch des Beigeladenen zu 9) im Wege der einstweiligen Anordnung angeordnet. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

2. Der Antragsgegner und der Beigeladene zu 9) haben der Antragstellerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten jeweils zu 1/3 zu erstatten und jeweils 1/3 der Gerichtskosten zu tragen. Die Antragstellerin hat 1/3 der Gerichtskosten zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.

3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Wege eines einstweiligen Anordnungsverfahrens um die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Zulassungsausschusses, mit dem dieser die Antragstellerin (Ast) zur Übernahme des gem. § 103 Abs. 4 SGB V ausgeschriebenen Vertragspsychotherapeutensitzes in A-Stadt, D-Str., mit Wirkung zum 01.03.2010 als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin zur vertragspsychotherapeutischen Tätigkeit mit einem auf die Hälfte beschränkten Versorgungsauftrag zugelassen hat.

Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen lies die Antragsstellerin mit Beschluss vom 03.12.2009, ausgefertigt am 07.04.2010, zur Übernahme des hälftigen Versorgungsauftrags als sogenannte Praxisnachfolgerin für den hälftigen Vertragsarztsitz des Beigeladenen zu 9) zu. Hiergegen legte der Beigeladene zu 9) Widerspruch ein.

Am 04.08.2010 hat die Ast den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie trägt vor, der Beigeladene zu 9) habe auf seinen hälftigen Versorgungsauftrag verzichtet und die Ausschreibung zur Wiederbesetzung beantragt. Der Zulassungsausschuss habe berücksichtigt, dass sich der Beigeladene zu 9) für die Ast als Nachfolgerin ausgesprochen habe. Der Beigeladene zu 9) berufe sich darauf, dass bisher kein abschließender Vertrag bezüglich der beruflichen Zusammenarbeit hätte abgeschlossen werden können. Dies sei Grundlage des Verzichts auf den hälftigen Versorgungsauftrag gewesen. Der Widerspruch sei unzulässig, weil eine Beschwerde des Beigeladenen zu 9) nicht vorliege. Der Zulassungsausschuss habe dem Antrag des Beigeladenen zu 9) in vollem Umfang entsprochen. Die vom Beigeladenen zu 9) behauptete nicht erfolgte privatrechtliche Einigung sei im öffentlich-rechtlichen Zulassungsverfahren nicht zu berücksichtigen. Nach der Entscheidung des Zulassungsausschusses könne der Antrag nicht mehr zurückgenommen werden, was der Beigeladene zu 9) zwischenzeitlich erklärt habe. Es bestehe auch ein Anordnungsgrund. Sie sei Bezieher von SGB II-Leistungen und somit auf das existenzielle Minimum verwiesen. Es gäbe insgesamt fünf Patienten, deren Therapien über ihre Psychotherapeutennummer beantragt und bewilligt worden seien. Bei dreien dieser Patienten habe die Therapie erst begonnen. Die Therapien von weiteren 14 Patienten seien über die Psychotherapeutennummer des Beigeladenen zu 9) beantragt und bewilligt worden, jedoch von ihr durchgeführt worden. Sie sei bis Februar 2010 als genehmigte Sicherstellungsassistentin in der Praxis des Beigeladenen zu 9) tätig gewesen und habe Patienten behandelt. Die Eltern der behandelten Kinder wünschten keinen Therapeutenwechsel, da sie und die Bezugspersonen sich gut aufgehoben fühlten, bisher gute Fortschritte zu verzeichnen gewesen seien und die Eltern der Meinung seien, den Kindern sei kein Beziehungswechsel zuzumuten. Sollte sich die Wartezeit allerdings noch weiter ausdehnen, sähen sie sich gezwungen, einen Therapeutenwechsel vorzunehmen, da ein großer Therapiebedarf bestehe. Da eine Entscheidung des Antragsgegners erst für den 29.09.2010 avisiert sei, müsse sie damit rechnen, dass ihre Patienten bis dahin abspringen würden.

Die Antragsstellerin beantragt,

die sofortige Vollziehung des Beschluss des Zulassungsausschusses/Psychotherapie vom 03.12.2009 anzuordnen.

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.

Die Kammer hat den Vorsitzenden, Herrn Rechtsanwalt E., am 04.08.2010 telefonisch angehört. Er verweist auf die Änderung der persönlichen Verhältnisse des Beigeladenen zu 9), der zwischenzeitlich von seiner Ehefrau, mit der er in gemeinsamen Räumen die Praxis geführt habe, getrennt lebe. Er halte den Widerspruch für ohne Erfolgsaussicht, da n...

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