Entscheidungsstichwort (Thema)

Gründungszuschuss. Vereinbarung einer selbständigen Tätigkeit als Eingliederungsziel. Ermessensreduzierung auf Null. unzumutbare Beschäftigung. Ausbildung als Golflehrer. sozialgerichtliches Verfahren. Kostenauferlegung. Verschuldenskosten. Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung. Festhalten am Vermittlungsvorrang

 

Leitsatz (amtlich)

1. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 93 Abs 1 SGB 3 vor und legt sich die Behörde in einer Eingliederungsvereinbarung auf einen Beruf als Eingliederungsziel fest, der typischerweise selbständig ausgeübt wird, reduziert sich ihr Entschließungsermessen regelmäßig auf Null.

2. Einem Versicherten, der eine Ausbildung zum Golflehrer absolviert hat, die nicht unter das Berufsbildungsgesetz fällt, ist eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu Beginn des Arbeitslosengeldbezugs unzumutbar (§ 140 SGB 3).

3. Die weitere Rechtsverfolgung einer Behörde ist dann missbräuchlich im Sinne des § 192 Abs 1 Nr 2 SGG, wenn ihr (vor)prozessuales Verhalten einzig und allein auf die Ablehnung einer Sozialleistung gerichtet ist, ohne den Besonderheiten des Einzelfalls Rechnung zu tragen.

 

Orientierungssatz

Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem LSG Baden-Württemberg (Az: L 8 AL 4731/12) zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil wirkungslos.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.06.2012 verurteilt, dem Kläger einen Gründungszuschuss für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 zu bewilligen.

2. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtliche Kosten zu erstatten.

3. Die Beklagte hat dem Gericht Kosten in Höhe von 300,00 EUR zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung eines Gründungszuschusses nach den Vorschriften des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III).

Mit Schreiben vom 10.04.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten einen Gründungszuschuss. Er werde am 01.03.2012 eine selbstständige, hauptberufliche Tätigkeit als „Fully Qualified PGA Golfprofessinal-Golflehrer im Golfclub H.-H.“ aufnehmen. Der Gründungszuschuss sei auch zur Sicherung des Lebensunterhalts und der Sozialabsicherung erforderlich. Seine Miete und Nebenkosten würden 385,00 € betragen. Der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung betrage 247,26 €, die zusätzliche Altersvorsorge schlage mit 50,00 € zu Buche. Für seine Krankenversicherung und die Pflegeversicherung habe er 198,00 € bzw. 15,00 € aufzubringen. Die Berufshaftpflichtversicherung koste ihn 15,38 €. Für die Kfz-Versicherung zahle er 39,23 €. Seinem Antrag legte der Kläger einen Business-Plan bei. Des weiteren reichte er eine Stellungnahme zur Tragfähigkeit seiner Existenzgründung einer Steuerberaterin vom 20.03.2012 zu den Akten.

Ausweislich einer am 25.01.2012 erstellten Eingliederungsvereinbarung wurde als Eingliederungsziel die Integration in den Arbeitsmarkt im Umkreis von 100 km als Golflehrer vereinbart. Die Beklagte bot hierzu regelmäßige Beratungen an. Ggfs. könnten auch überbetriebliche Trainingsmaßnahmen erbracht werden. Ausweislich eines am 28.02.2012 erstellten Verbis-Vermerks wurde dem Kläger mitgeteilt, dass er ohne Gründungszuschuss kalkulieren müsse, da es sich um eine Kann-Leistung handele.

Mit Bescheid vom 09.05.2012 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Bewilligung eines Gründungszuschusses ab. Auf dem für den Kläger in Betracht kommenden Arbeitsmarkt bestünden ausreichende Integrationsmöglichkeiten in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Zwar seien berufsfachliche Defizite gegeben, die Beklagte sei jedoch bereit, diese durch die Finanzierung einer Weiterbildungsmaßnahme zu beheben. Der Beklagten seien am 03.05.2012 viele Stellen in verschiedenen Berufen, die für den Kläger in Betracht kämen, gemeldet worden. Stellenangebote in diesem Umfang bestünden bereits seit geraumer Zeit. Es sei nicht davon auszugehen, dass sich dieses Volumen in absehbarer Zeit nennenswert ändern werde. Mit der Unterstützung durch eine Weiterbildungsförderung bestünde für den Kläger eine günstige Integrationsprognose in eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung. Der Gründungszuschuss könne daher nicht gewährt werden.

Am 16.05.2012 legte der Kläger zur Niederschrift Widerspruch gegen diesen Bescheid ein. Er habe bereits seine selbstständige Tätigkeit aufgenommen. Das Geschäft laufe gut an. Es sei abzusehen, dass er im Laufe des Jahres 2012 seinen Lebensunterhalt vollständig bestreiten könne. Bis dahin sei er aber auf eine Anschubunterstützung angewiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.06.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Nach § 4 Abs. 1 SGB III habe die Vermittlung in Arbeit Vorrang vor den Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgelts bei Arbeitslosigkeit. Dieser Vermittlungsvorrang gelte gemäß § 4 Abs. 2 SGB III auch im Verhältnis zu den sonstigen Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, es sei denn, die Leistung sei für eine dauerhafte Eing...

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