Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Leistungsanspruch. Aussicht auf Erfüllung der Aufgabe der Eingliederungshilfe. Linderung der Behinderung oder ihrer Folgen. Besserung des seelischen Befindens. kein Ausschluss aufgrund eines überwiegenden Pflegebedarfs

 

Orientierungssatz

1. Für einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach § 53 Abs 1 S 1 SGB 12 reicht jede Aussicht auf Linderung der Behinderung bzw ihrer Folgen aus, so auch die auf Besserung des seelischen Befindens.

2. Ein bestehender erheblicher oder sogar überwiegender Pflegebedarf schließt den Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe auch dann nicht aus, wenn er zukünftig nicht zu beheben sein wird.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 02.07.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2012 wird aufgehoben und der Beklagte verurteilt, die Kosten i.H.v. 49.222,56 Euro für die Betreuung des C. in der Tagesförderungsstätte AA. ab Antragstellung am 11.04.2012 bis zum 13.02.2015 zu übernehmen.

2. Der Beklagte trägt die notwendigen Kosten der Klägerin und der Beigeladenen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt als Sonderrechtsnachfolgerin die weitere Kostenübernahme für die Betreuung in der Tagesförderstätte AB. des 2015 verstorbenen Hilfebedürftigen C.

Der verstorbene Leistungsempfänger litt an einer mittelgradigen Intelligenzminderung mit Verhaltensstörungen bei Down-Syndrom sowie einer schizophrenen Psychose. Er war 1948 geboren und lebte seit 1964 ununterbrochen in den AC. Er ging dort zunächst einer Tätigkeit in der Werkstatt für behinderte Menschen nach. Im Jahr 2009 erkrankte der Leistungsempfänger an Demenz, der Krankheitsverlauf verschlechterte sich, so dass der Leistungsempfänger vollständig orientierungslos war und der ständigen Betreuung bedurfte. Bei dem Leistungsempfänger wurde die Pflegestufe 3 anerkannt, er stand unter gesetzlicher Betreuung. Ende des Jahres 2010 wurde der Vertrag mit der Werkstatt für behinderte Menschen aufgrund der fortschreitenden Demenz gekündigt. Der Leistungsempfänger blieb in den AC. wohnen, wechselte aber von der Werkstattstätigkeit in die Tagesförderungsstätte AB. Es fielen für die Tagesförderstätte monatliche Kosten in Höhe von 1523,35 Euro im Jahr 2012 an (Rechnung vom 12.05.2012), im Jahr 2013 monatlich 1561,94 Euro und in den Jahren 2014 und 2015 monatlich 1580,68 Euro (im Februar 2015 anteilig 790,34 Euro). Der Beklagte trug die laufenden Kosten, zuletzt gab er ein Kostenanerkenntnis bis zum 30.06.2012 ab. Er machte seine Zweifel an dieser Art der Betreuung deutlich aufgrund der fortschreitenden Demenz. Die Betreuerin des Leistungsempfängers legte besonderen Wert auf den Verbleib des Leistungsempfängers in seiner damaligen Wohngruppe. Der Entwicklungsbericht aus April 2012 beschrieb die Gehunfähigkeit des Leistungsempfängers, er war vollständig auf den Rollstuhl angewiesen. Er war die meiste Zeit völlig abwesend, orientierungslos und kaum ansprechbar. Nur vereinzelt und für kurze Augenblicke war es vertrauten Personen möglich, Kontakt aufzunehmen. Der Leistungsempfänger war vollkommen desorientiert zur Situation, zur Zeit und Ort und Personen. Die Übernahme sämtlicher pflegerischer Maßnahmen hatte durch das Pflegepersonal zu erfolgen.

Die Klägerin beantragte am 11.04.2012 eine Verlängerung der Kostenzusage für den Leistungsempfänger. Der Leistungsempfänger zog im Jahr 2012 innerhalb der AD. um in eine andere Wohngruppe. Der Umzug war erforderlich aufgrund der fortschreitenden Demenz, die ein vermehrtes Ausmaß an Pflege erforderlich machte. Diese Wohngruppe war auch für die Pflege von schweren Erkrankungen und erheblichen Pflegezuständen eingerichtet, die tagesstrukturierenden Maßnahmen fanden innerhalb der Wohngruppe statt.

Der Beklagte wurde im Vorfeld des Umzugs nicht informiert. Mit Bescheid vom 02.07.2012 lehnte der Beklagte eine weitere Kostenübernahme für die Betreuung in der Tagesförderungsstätte ab. Eingliederungshilfe sei zu gewähren, um eine bestehende Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern. Bei dem Hilfebedürftigen stünde die Eingliederungshilfe nicht mehr im Vordergrund, da er Therapieangebote nicht mehr wahrnehmen könne. Er könne an den Angeboten nicht mehr teilnehmen und profitiere nicht mehr von der Tagesstruktur.

Der verstorbene Hilfebedürftige legte Widerspruch ein. Durch das Wohnen in den AC. sei eine Betreuung von täglich 16 Stunden an 220 Tagen im Jahr gewährleistet sowie von 24 Stunden an weiteren 145 Tagen. Die übrigen acht Stunden erfolge eine Betreuung in der Werkstatt für behinderte Menschen oder in der Tagesförderungsstätte. Er benötige eine umfängliche, ganztägige Betreuung, so dass die Leistungen für die Tagesförderungsstätte zwingend zu erbringen seien. Die jetzige Wohngruppe sei darauf ausgerichtet, eine Verschlimmerung seines Krankheitszustandes zu verhindern. Die AE. seien auch imstande, diese Leistungen zu erbringen und hätten daher eine andere Unterbringung in einem Pflegeheim nicht für notwendig angese...

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