Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenersatz gegen den Erben. Wert des Nachlasses. Nießbrauchsrecht. Pflichtteilsanspruch. Rangfolge. besondere Härte. Sozialhilfe. Kostenersatz durch Erben. keine Berücksichtigung eines Nießbrauchsrechts oder von Pflichtteilsansprüchen. Nachrangigkeit gegenüber dem Kostenersatzanspruch des Sozialhilfeträgers. Auslegung des Begriffs der "besonderen Härte"

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Nießbrauchsrecht und Pflichtteilsansprüche gehen bei der Bestimmung des Wertes des Nachlasses i.S.d § 102 Abs. 2 Satz 2 SGB XII dem Kostenersatzanspruch des Sozialhilfeträgers im Rang nach. Sie sind deshalb nicht als Erbfallschulden wertmindernd zu berücksichtigen.

2. Der Begriff der "besonderen Härte" in § 102 Abs. 3 Nr. 3 SGB XII ist als Ausnahmereglung eng auszulegen.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.

Der Streitwert wird - endgültig - auf 10.411,13 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Kläger dem Beklagten zur Erstattung von Aufwendungen für Sozialhilfeleistungen für ihren Vater in Höhe von 10.411,13 € verpflichtet sind.

Die 1980 geborene Klägerin und der 1975 geborene Kläger sind die Kinder aus zweiter Ehe des am 21.03.1930 geborenen und am 14.06.2009 verstorbenen W. L. (im folgenden: Hilfeempfänger). Der Hilfeempfänger hatte die Kläger durch öffentliches Testament vom 15.10.2001 (Notariat B., Urkundenrollen Nummer 1825/01) zu gleichberechtigten Erben für den Fall seines Ablebens eingesetzt (§ 1). Zugleich hatte er seiner zweiten Ehefrau, der Mutter der Kläger, einen lebenslangen Nießbrauch an seiner Eigentumswohnung im Anwesen M.straße .., B., eingeräumt (§ 3).

Der Beklagte leistete dem Hilfeempfänger in der Zeit vom 01.09.2007 bis zum Todestag Hilfe zur Pflege nach den Bestimmungen des Siebten Kapitels des Sozialgesetzbuchs - Sozialhilfe - (SGB XII) im Gesamtumfang von 20.094,90 €; davon erbrachte er Leistungen im Umfang von 7.577,77 € darlehensweise (vgl. Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 22.04.2010 - S 4 SO 3120/08 -).

Mit Schreiben vom 17.06.2010 meldete der Beklagte gegenüber den Klägern seinen Kostenersatzanspruch an.

Nach weiterer Sachaufklärung (Verkehrswertgutachten des Gutachterausschusses für die Ermittlung von Grundstückswerten bei der Stadt B., Auskunft des Finanzamts K., Beizug des Testaments des Hilfeempfängers, Vorlage einer Aufstellung über die Bestattungskosten) forderte der Beklagte von den Klägern einen Kostenersatz in Höhe von 10.411,13 € für die von ihm erbrachten Hilfeleistungen. Diesen ermittelte er wie folgt:

Sozialhilfe in 2007

 3.077,73 €

Sozialhilfe in 2008

14.478,18 €

Sozialhilfe in 2009

 2.538,99 €

Gesamtaufwand

20.094,90 €

abzgl. Darlehensforderung gegenüber der Mutter der Kläger

7.577,77 €

verbleiben

12.517,13 €

abzgl. Freibetrag

2.106,00 €

ersatzpflichtiger Aufwand

10.411,13 €

=========

Diese Aufwendungen könnten die Kläger in vollem Umfang aus dem Reinnachlass von 89.851,41 € (= Eigentumswohnung im Anwesen M.straße ,B.: Wert: 97.000,00 €, abzgl. Beerdigungskosten: 7.148,59 €) begleichen. Das den Klägern als Erben auferlegte Vermächtnis (Nießbrauch zugunsten der Mutter) wie auch Pflichtteilsansprüche der weiteren, enterbten Kinder des Hilfeempfängers aus erster Ehe seien erst nachrangig zu berücksichtigen. Der Kostenersatz stelle für die Kläger auch keine unbillige Härte dar; insbesondere wirke das während des laufenden Leistungsbezugs zugunsten des Hilfeempfängers berücksichtige Schonvermögen, die Eigentumswohnung, nicht als solches zugunsten der Erben fort. Der Kostenersatz treffe die Kläger als Gesamtschuld (Bescheid vom 16.08.2011, Widerspruchsbescheid vom 27.12.2011).

Deswegen haben die Kläger am 24.01.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Zur deren Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, der Beklagte gehe von einem unrichtigen Nachlasswert aus. Dieser ergebe sich aus dem ihnen als Erben angefallenen Aktivvermögen abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten. Zu den Nachlassverbindlichkeiten gehörten sowohl die Erblasserschulden als auch die Erbfallschulden, und damit auch der Nießbrauch an der Eigentumswohnung. Bei Berücksichtigung des Nießbrauchs betrage der Wert der Eigentumswohnung nach dem Wertgutachten nur 4.000,00 €. Bei weiterer Berücksichtigung der Aufwendungen für die standesgemäße Beerdigung und der in der Höhe noch ungeklärten Pflichtteilsansprüche der beiden enterbten Kinder des Hilfeempfängers sei der Nachlasswert deshalb mit 0,00 € anzusetzen. Zudem stelle der von dem Beklagten geforderte Kostenersatz für sie eine unbillige Härte dar. Solange ihre Mutter Inhaberin des Nießbrauchsrechts sei, sei eine Veräußerung der Eigentumswohnung ohne deren Zustimmung nicht möglich. Ihrer Mutter sei es überdies aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters nicht zuzumuten, die Wohnung, die während des Sozialhilfebezuges des Hilfeempfängers zu dessen Schonvermögen gehört habe, allein deswegen aufgeben zu müssen, um ihnen - den Klägern - den Kostenersatz zu ermögliche...

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