Entscheidungsstichwort (Thema)

Asylbewerberleistung. örtliche Zuständigkeit für ein im Bundesgebiet neugeborenes Kind. Kenntnisgrundsatz. Anwesenheit andernorts geduldeter Familienangehöriger im Haushalt. keine Berücksichtigung bei der Einkommensverteilung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Vor Erteilung einer Duldung mit Wohnsitzauflage oder Einleitung eines Asylverfahrens scheidet bei einem im Bundesgebiet neu geborenen Ausländer eine Anwendung des § 11 Abs 2 AsylbLG aus. Der Leistungsträger, in dessen Gebiet sich der Neugeborene tatsächlich aufhält, ist gem § 10a Abs 1 S 2 AsylbLG zunächst für die Erbringung von uneingeschränkten Asylbewerberleistungen örtlich zuständig.

2. Der sog Kenntnisgrundsatz gilt auch im Asylbewerberleistungsrecht.

3. Im Sinne des § 7 Abs 1 S 1 AsylbLG im selben Haushalt leben nur solche Leistungsberechtigte, bei denen dieses räumlich-funktionelle Zusammenleben in denselben Räumlichkeiten von der Rechtsordnung her - regelmäßig auf Dauer - so vorgesehen ist. Der Bedarf für Leistungsberechtigte, die gegen räumliche Beschränkungen ihrer Duldungen oder gegen Wohnsitzauflagen nach ausländerrechtlichen Bestimmungen verstoßen, kann deshalb am Ort der Haushaltsführung nicht erhöhend berücksichtigt werden.

4. Kurzzeitige Besuche eines andernorts geduldeten Leistungsberechtigten wirken hinsichtlich der Kosten der Unterkunft des Gastgebers nicht bedarfserhöhend.

 

Tenor

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

Gemäß § 73 a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ist Prozesskostenhilfe demjenigen zu gewähren, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht oder nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn die mit dem Ziel der Gewährung von (Grund-)Leistungen nach § 3 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) für die Zeit ab der Geburt der minderjährigen Klägerin am 10.04.2008 im F. bis einschließlich des Monats Juli 2008 - in diesem Zeitraum ist jedenfalls nach erfolgter Abhilfe durch Bescheid der Samtgemeinde (SG) G. vom 06.08.2008 (vgl. die am 6. und 20.08.2008 von der SG vorgenommenen Zahlungen für August und September 2008 in gesetzlicher Höhe von 132,93 € zzgl. kopfteiliger KdU (2 Personen-Haushalt) und ohne Einkommensanrechnung, Bl. 197 LA) die Klägerin noch beschwert -, erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage gegen den Ablehnungsbescheid der SG G. vom 04.07.2008 (Bl. 129 LA) in der Gestalt des (Teil-) Abhilfebescheides der SG G. vom 06.08.2008 (Bl. 9 ff. GA) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 08.12.2018 (Bl. 17 ff. GA) hat im Ergebnis keine Aussicht auf Erfolg.

Wie die Kammer in ihrem richterlichen Hinweis des Vorsitzenden vom 20.06.2011 bereits ausgeführt hat, versteht sie das Klagebegehren der Klägerin, die erst seit dem 28.07.2008 aufgrund des Beschlusses des VG Göttingen vom 02.07.2008 - 1 B 171/08 - von dem Beklagten geduldet wird, dahingehend, dass diese sich zum einen gegen die Versagung des Leistungsanspruches nach dem AsylbLG durch den Beklagten dem Grunde nach für die Zeit vor dem 01.07.2008 mangels Zuständigkeit gem. § 10a AsylbLG und unter Berufung auf den sog. Kenntnisgrundsatz sowie zum anderen gegen die vollständige - nicht auf 4 Personen kopfteilig vorgenommene - Anrechnung überschießenden Einkommens ihres leiblichen Vaters H. auf ihren Bedarf für Juli 2008 mit der Begründung wendet, dessen damaliges überschießendes Erwerbseinkommen als Dachdeckerhelfer müsse zusätzlich auch auf den Bedarf ihrer Mutter I. und ihrer am 18.12.2006 in M. geborenen Schwester J. angerechnet werden. Zwar seien beide im hier streitigen Zeitraum 10.04. bis 31.07.2008 lediglich von der Ausländerbehörde des Beigeladenen geduldet worden (der Beklagte duldet die Mutter der Klägerin seit dem 30.09.2008 und die Schwester der Klägerin seit dem 13.10.2008, vgl. Bl. 267 AuslA der Mutter), deren damaliger Duldung sei auch eine Wohnsitzauflage hinsichtlich der Gemeinde K. in Baden-Württemberg beigefügt gewesen und zudem hätten beide beim Beigeladenen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem AsylbLG gestanden, gleichwohl hätten sich beide - wie die neugeborene Klägerin nach ihrer Entlassung aus dem L. am 26.04.2008 - tatsächlich und dauerhaft in G. (= Zuständigkeitsbereich des Beklagten) im Haushalt des Vaters der Klägerin aufgehalten und hätten mit diesem aus einem Topf gewirtschaftet.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Die erkennende Kammer teilt die Rechtsauffassung der Klägerin sowie des Beigeladenen zur örtlichen Zuständigkeit des Beklagten im hier nach Abhilfe noch streitigen Zeitraum 10.04. bis 31.07.2008. Der Beklagte ist nach § 10a Abs. 1 Satz 2 AsylbLG aufgrund des tatsächlichen Aufenthalts der Klägerin in seinem Zuständigkeitsbereich seit deren Geburt am 10.04.2008 in M. örtlich zustä...

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