Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsleistung. Einstiegsgeld. ermessensfehlerhafte Leistungsablehnung für weitere 6 Monate

 

Leitsatz (amtlich)

Zu den Voraussetzungen einer Entscheidung über die Verlängerung der Gewährung von Einstiegsgeld: Verlängerungsentscheidungen sind bis zum Erreichen der Höchstförderdauer von 24 Monaten möglich. Die Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 16b, § 16c Abs 3 SGB II müssen lediglich bezogen auf den Zeitpunkt der erstmaligen Bewilligung von Einstiegsgeld vorliegen. Dieser Zeitpunkt bleibt auch für die zu treffenden Prognoseentscheidungen maßgeblich. Damit handelt es sich bei einer Entscheidung des Grundsicherungsträgers über die Verlängerung einer Bewilligung von Einstiegsgeld in der Regel um eine Frage des Auswahlermessens bezüglich der Dauer der Förderung.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 28.02.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 26.07.2013 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte wird verurteilt, den Antrag der Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

3. Der Beklagte trägt 50 Prozent der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

 

Tatbestand

Die Klägerin ist in ... geboren und besitzt die norwegische Staatsangehörigkeit. Sie begehrt die Verpflichtung des beklagten Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zur Gewährung von Einstiegsgeld für einen 6-Monats-Zeitraum, der etwa ein halbes Jahr nach dem Beginn der selbstständigen Erwerbstätigkeit liegt. Im Vorfeld hatte sie für die sechs Monate vor Aufnahme der Tätigkeit Einstiegsgeld erhalten, für die sechs Monate ab Aufnahme der Tätigkeit ist die Gewährung von Einstiegsgeld noch offen (vgl. das zwischen den Beteiligten am gleichen Tage ergangene Urteil im Verfahren S 22 AS 873/13).

Die Klägerin bezieht seit 2007 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II, teilweise unter Anrechnung von Erwerbseinkommen. Spätestens seit Herbst 2011 beabsichtigte die Klägerin, sich mit einem Modegeschäft selbstständig zu machen. Sie beantragte beim Beklagten am 24.10.2011 Leistungen zur Förderung der Selbstständigkeit, u.a. die Gewährung von Einstiegsgeld. In diesem Zuge erstellte Sie u.a. einen Businessplan, der beim Beklagten eingereicht wurde. Weiterhin reichte sie eine positive Stellungnahme der L...-Stiftung zu ihrem Existenzgründungsvorhaben ein. In den Antragsformularen wurde der 01.03.2012 als voraussichtlicher Beginn der selbstständigen Tätigkeit angegeben.

Am 20.02.2012 schlossen die Klägerin und der Beklagte eine Eingliederungsvereinbarung, in der die Förderung der Selbstständigkeit der Klägerin vereinbart wurde. Zu den Förderleistungen wurde insb. geregelt: “[Der Beklagte] gewährt Ihnen Einstiegsgeld gem. § 16b SGB II für maximal 6 Monate, in Höhe von monatlich 50% Ihrer Regelleistung, zur Förderung der Existenzgründung, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind und die erforderlichen Unterlagen vorliegen.„

Im Rahmen einer so genannten Fachlichen Feststellung hielt der Beklagte am 22.02.2012 fest, Einstiegsgeld sei dem Grunde nach zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erforderlich und die Hilfebedürftigkeit werde überwunden. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Bewilligung erfolge noch unter Vorbehalt, da die Bewilligung der BASFI über das Kleinstkreditprogramm in Höhe von 10.300,- Euro noch ausstehe. Die Klägerin verfüge über die nötigen Qualifikationen, um ein Geschäft wie das geplante erfolgreich zu führen, da sie bereits in den 1990er Jahren über vier Jahre einen ähnlichen Laden in N. gehabt habe, welcher aus privaten Gründen geschlossen worden sei. Um sich mit den kaufmännischen Gegebenheiten in Deutschland vertraut zu machen, habe die Klägerin an einem sechswöchigen “VZ-Seminar„ erfolgreich teilgenommen. Sie befinde sich seit 2007 im ALG II-Bezug. Aufgrund ihrer Vita und der Sprachschwierigkeiten sei es für sie schwierig, eine Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt zu finden. Mit dem Laden habe sie die Chance, wieder auf eigenen Beinen zu stehen. Die vollständige Loslösung aus dem Leistungsbezug sei spätestens im Juli 2013 zu erwarten. Mit Hilfe des Einstiegsgeldes könne sie zusätzliche Werbeaktionen starten, was zu einer schnelleren Lösung aus dem Leistungsbezug führen könne.

Mit Bescheid vom 06.03.2012 hob der Beklagte die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt gegenüber der Klägerin zum 01.03.2012 vollständig auf, weil ihr wegen der begonnenen selbstständigen Tätigkeit Leistungen nur noch vorläufig bewilligt werden könnten. Mit Bescheiden vom gleichen Tag bewilligte der Beklagte vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts vom 01.03.2012 bis 30.04.2012 bzw. vom 01.05.2012 bis 31.10.2012. Mit mehreren Schreiben vom 10.03.2012 erhob die Klägerin gegen die am 06.03.2012 erlassenen Bescheide Widerspruch. Zur Begründung wurde jeweils im Wesentlichen ausgeführt, es entspreche nicht den Tatsachen, dass die Klägerin zum 01.03.2012 eine selbstständige gewe...

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