Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende: Leistungsausschluss für EU-Ausländer. Feststellung des Vorliegens eines Aufenthaltsrechts. Voraussetzung der Annahme eines Aufenthaltsrechts wegen Schulbesuchs eines leiblichen Kindes

 

Orientierungssatz

1. Ein sich aus dem Freizügigkeitsrecht ableitendes Aufenthaltsrecht wegen des Schulbesuchs eines leiblichen Kindes für einen Bürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, das zum Bezug von Grundsicherungsleistungen berechtigt, setzt voraus, dass mindestens ein Elternteil bei Beginn der Schulpflicht erwerbstätig war.

2. Einzelfall zum Leistungsausschluss für EU-Ausländer im Rahmen der Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende und zur Feststellung des Bestehens eines Aufenthaltsrechts (hier: Aufenthaltsrecht verneint).

 

Tenor

1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

2. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

3. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Antrag vom 16.04.2018, mit welchem die Antragsteller begehren, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zu gewähren, hat keinen Erfolg.

1. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Sinne des § 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist stets, dass sowohl ein Anordnungsgrund (das heißt die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile) als auch ein Anordnungsanspruch (das heißt die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen Leistungsanspruches) glaubhaft gemacht werden (vgl. § 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)).

Vorliegend fehlt es an dem erforderlichen Anordnungsanspruch. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragsteller einen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gegen den Antragsgegner haben.

Wie das Gericht bereits mit Beschluss vom 24.01.2018 im Verfahren S 35 AS 4291/17 ER ausgeführt hat, ist der 1986 geborene, in H. wohnhafte, erwerbsfähige, einkommens- und vermögenslose Antragsteller zu 1. mit polnischer Staatsbürgerschaft nach der Legaldefinition des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erwerbsfähiger Leistungsberechtigter, jedoch von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen und mit ihm auch seine Töchter, die Antragstellerinnen zu 2. und 3. (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II).

Danach sind ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer oder Selbständige noch aufgrund des § 2 Absatz 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate ihres Aufenthalts (Nr. 1), Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben (Nr. 2a), deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Nr. 2b) oder die ihr Aufenthaltsrecht allein oder neben einem Aufenthaltsrecht nach Buchstabe b aus Artikel 10 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union (ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1), die durch die Verordnung (EU) 2016/589 (ABl. L 107 vom 22.4.2016, S. 1) geändert worden ist, ableiten (Nr. 2c), und jeweils ihre Familienangehörigen, sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (Nr. 3).

Der Leistungsanspruch ist zwar nicht nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 3 SGB II ausgeschlossen. Der Antragsteller zu 1. hält sich seit mehreren Jahren in Deutschland auf und ist auch nicht Leistungsberechtigter nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.

Der Antragsteller ist jedoch nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen, denn der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, über ein Aufenthaltsrecht zu verfügen.

Nach dem Erkenntnisstand des Eilverfahrens kann der Antragsteller seinen Aufenthalt auf kein materielles Freizügigkeitsrecht als ggf. das zur Arbeitssuche stützen.

Soweit die Antragsteller sich darauf berufen, dass der Widerspruch gegen die Feststellung im Bescheid vom 23.09.2017, dass kein Freizügigkeitsrecht besteht, aufschiebende Wirkung hat, ist dies in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich. Dies allein vermag kein materielles Freizügigkeitsrecht begründen, welches dazu führt, dass § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II hier keine Anwendung findet (vgl. zum Erfordernis eines materiellen Freizügigkeitsrechts BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 - B 4 AS 24/14 R, Rn. 14 m.w.N., zitiert nach juris).

Der Antragsteller zu 1. ist arbeitslos und daher weder Arbeitnehmer i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) noch selbständig tätig (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 FreizügG/EU). Ein Aufenthaltsrecht nach §§ 2 Abs. 2 Nr. 5 i.V.m. 4 FreizügG/EU ist schon deswegen ausgeschlossen, weil der Antragsteller nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt, sondern existenzsichernde Leistungen gerade mit dem hier geführten Eilver...

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