Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsstreitigkeiten über Bestimmungsbescheide nach § 116b Abs 2 SGB 5 unterfallen nicht dem Vertragsarztrecht. niedergelassene Vertragsärzte. Zulässigkeit der Klage -keine Anfechtungsberechtigung bei defensiver Konkurrentenklage

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Entscheidung über Streitverfahren betreffend die Öffnung der Krankenhäuser für ambulante Leistungen gemäß § 116 b Abs 2 SGB 5 sind die Kammern für Krankenversicherungsrecht zuständig. Es handelt sich nicht um Streitigkeiten des Vertragsarztrechts (vgl BSG vom 12.8.2009 - B 3 KR 10/07 R = BSGE 104, 95 = SozR 4-2500 § 139 Nr 4).

2. Die Klage von niedergelassenen Ärzten gegen einen Bestimmungsbescheid gemäß § 116 b Abs 2 Satz 1 SGB 5 ist zulässig, da nicht erkennbar ist, dass ihre Rechte offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise verletzt sein könnten.

3. Die Kriterien für eine Anfechtungsberechtigung bei einer solchen defensiven Konkurrentenklage entsprechend der Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 7.2.2007, B 6 KA 8/06 R = BSGE 98, 98 = SozR 4-1500 § 54 Nr 10) liegen bei der Anfechtung eines Bestimmungsbescheides gemäß § 116 b Abs 2 SGB 5 durch niedergelassene Ärzte nicht vor; jedenfalls ist das erforderliche “Vorrang-Nachrang-Verhältnis„ nicht gegeben.

4. Eine Anfechtungsberechtigung ergibt sich auch nicht aus einem Berücksichtigungsgebot im Sinne eines subjektiv - rechtlichen Rücksichtnahmegebots, da die Kriterien des BSG abschließend sind (gegen LSG Chemnitz, Beschluss vom 3.6.2010 - L 1 KR 94/10 B ER = KHR 2010, 91).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 15.03.2012; Aktenzeichen B 3 KR 13/11 R)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 8) tragen die Kläger.

3. Die Sprungrevision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zulassung der Beigeladenen zu 8) zur ambulanten Versorgung in einem bestimmten Teilbereich der Onkologie.

Die Kläger sind Fachärzte für Gynäkologie und betreiben zusammen in X., eine Praxis mit onkologischem Schwerpunkt als Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts. Sie sind zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.

Die Beigeladene zu 8) hatte mit Schreiben vom 02.04.2008 für die von ihr betriebene Klinik in der X. die Zulassung zu verschiedenen ambulanten Behandlungen gemäß § 116b SGB V für die ambulante Diagnostik und Versorgung von Patientinnen und Patienten mit gynäkologischen Tumoren beantragt. Diesem Antrag wurde durch Bescheid vom 01.09.2009 seitens des Beklagten stattgegeben.

Eine zuvor von dem Beklagten vorgenommene Anhörung der Beigeladenen zu 1) bis 7) hatte ergeben, dass diese sich gegen die beantragte Zulassung aussprechen.

Mit der am 28.10.2009 bei dem erkennenden Gericht eingegangenen Klage wenden sich die Kläger gegen die in dem Bescheid vom 01.09.2008 ausgesprochene Zulassung durch den Beklagten.

Die Kläger tragen vor,

die Klage sei zulässig und begründet. Dabei werde zunächst auf die Rechtsprechung des Sozialgerichts Dresden und des Sächsischen Landessozialgerichts in dessen Beschluss vom 3.6.2010 (L 1 KR 94/10 B ER), sowie auf die Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (L 11 KA 91/10 B ER) verwiesen.

Zwar richteten sich die angefochtenen Bescheide nicht an die Kläger selbst, doch seien diese mittelbar beziehungsweise durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Bescheide betroffen. Dies reiche im Regelfall für eine rechtliche Betroffenheit zwar nicht aus, doch sei die Frage, ob einer bestimmten Regelung auch drittschützende Wirkung beizumessen sei, keine Frage der Zulässigkeit der Klage. Unzulässig sei diese nur, wenn der von den Klägern angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich und eindeutig unter keinem Blickwinkel Rechte der Kläger verletzen könnte.

Die damit zulässige Klage sei auch begründet.

Die Vorschrift des § 116b Abs. 2 SGB V habe drittschützende Wirkung, obwohl nicht ausdrücklich ein Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte gesetzlich festgelegt sei. Der Drittschutz sei unter Würdigung von Sinn und Zweck der Regelung und dessen Wortlaut aus einer verfassungsrechtlichen Würdigung der Wettbewerbsbedingungen im staatlich regulierten Gesundheitsmarkt und unter Berücksichtigung der Grundrechte der Kläger aus Artikel 12 und Artikel 19 Abs. 4 GG abzuleiten. Dies ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Die Erwägungen, die für die Konkurrenzsituation im Verhältnis niedergelassener Ärzte zu ermächtigten Ärzten zu beachten seien, seien auch bei § 116b Abs. 2 SGB V zu beachten. Vertragsärzte hätten zwar aufgrund ihres Zulassungsstatus keinen Rechtsanspruch auf Sicherung einer ungefährdeten wirtschaftlichen Tätigkeit. Jedoch könne das Grundrecht des niedergelassenen Arztes beeinträchtigt werden, wenn durch Verwaltungsakt eine Wettbewerbsänderung mit erheblichen Konkurrenznachteilen zu Lasten der niedergelassenen Ärzte herbeigeführt werde und dies im Zusammenhang mit staatlicher...

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