Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Streitgegenstand. Ersetzung des vorläufigen Bescheides durch die endgültige Entscheidung. Arbeitslosengeld II. unangemessene Unterkunftskosten. Umzug ohne vorherige Zusicherung in kostengünstigere aber noch immer unangemessene Unterkunft. fehlende Kostensenkungsaufforderung. Einräumung des Übergangszeitraums

 

Orientierungssatz

1. Da das Ersetzen von Bescheiden gem § 39 Abs 2 SGB 10 die radikalste Form der Bescheidänderung während eines anhängigen Klageverfahrens darstellt, wird ein während eines laufenden Sozialgerichtsverfahrens gegen einen vorläufigen Bewilligungsbescheid ergangener endgültiger Bewilligungsbescheid gem § 96 SGG Gegenstand des Klageverfahrens (Anschluss an LSG Berlin-Potsdam vom 4.9.2014 - L 34 AS 224/14; so auch LSG Chemnitz vom 28.8.2014 - L 3 AS 640/14).

2. Ein kategorischer ausnahmsloser Ausschluss der Übernahme unangemessener Unterkunftskosten bei einem Umzug ohne vorherige Zusicherung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des § 22 Abs 4 SGB 2 noch aus dessen Entstehungsgeschichte oder dem Sinn und Zweck der Norm (Anschluss an BSG vom 20.8.2009 - B 14 AS 65/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 26; entgegen LSG Schleswig vom 19.1.2007 - L 11 B 479/06 AS PKH).

3. Ein "befristeter Bestandsschutz" iS des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 für die Übernahme von unangemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung iS des § 22 SGB 2 ist zumindest dann gerechtfertigt, wenn dieses im Einzelfall dem Schutzzweck des § 22 Abs 1 S 3 SGB 2 entspricht und dem Sinn und Zweck des § 22 Abs 4 SGB 2 nicht elementar widerspricht (Hier bejaht für einen Umzug von einer teureren Wohnung in eine günstigere aber immer noch unangemessen teure Wohnung bei laufendem SGB 2-Bezug, ohne Zustimmung des Jobcenters bei tatsächlicher Kürzung der Kosten der Unterkunft ohne zuvor erfolgten Hinweis auf die Obliegenheit die Kosten Unterkunft und Heizung zu senken und ohne Hinweis auf die lokalen Angemessenheitsgrenzen).

 

Tenor

1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Änderungsbescheides vom 22. Juni 2012 verurteilt, der Klägerin über das Teilanerkenntnis vom 18. Februar 2015 hinausgehend weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - Kosten der Unterkunft und Heizung - in Höhe von weiteren 57,00 Euro monatlich für die Monate April 2012, Mai 2012 und Juni 2012 zu gewähren.

2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten nur noch über die Höhe der von dem Beklagten für die Monate April bis Juni 2012 zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung.

Die am ... November 196… geborene Klägerin stand erstmalig im Zeitraum Januar 2006 bis April 2008 im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bei dem Beklagten. Aufgrund einer Erwerbstätigkeit bezog die Klägerin anschließend zunächst keine weiteren Unterstützungsleistungen des Beklagten mehr.

Mit Antrag vom 19. Juli 2011 beantragte die Klägerin erneut Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) beim Beklagten. Hierbei reichte die Klägerin neben dem Mietvertrag für die von ihr genutzte Wohnung in der A - B - Straße ... in … F mit einer monatlichen Bruttowarmmiete von 691,22 Euro auch einen Untermietvertrag für die vorgenannte Wohnung mit der von ihr als Geschäftsführerin vertretenen S UG über die Vermietung von zwei Räumen, einem Flur und der Mitbenutzung der Toilette zur Verwaltungsakte. Der Gesellschafter der S UG Herr M G bestätigte schriftlich, dass die UG einen Anteil von monatlich 345,62 Euro für die Mietzahlung der Wohnung der Klägerin übernahm. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 1. August 2011 beginnend ab dem 1. Juli 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Anrechnung des von der Klägerin laufend erzielten Erwerbseinkommens und unter Berücksichtigung von Kosten Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 345,61 Euro.

Mit Veränderungsmitteilung vom 26. September 2011 teilte die Klägerin mit, dass das Unternehmen S UG im September 2011 am Amtsgericht Frankfurt (Oder) einen Insolvenzantrag gestellt habe. Der Untermietvertrag zwischen der S UG und ihr sei gekündigt worden. Hieraus ergebe sich, dass sie für die gesamte Miete von 691,22 Euro allein aufkommen müsse, bis sie einen anderen geeigneten Wohnraum gefunden habe. Das Kündigungsschreiben der S UG für das vorgenannte Untermietverhältnis vom 28. August 2011 fügte die Klägerin der Veränderungsmitteilung bei. Ferner informierte die Klägerin den Beklagten über ihre Arbeitsaufnahme bei der P O GmbH (im Folgenden: PZO GmbH) beginnend ab dem 1. September 2011. Eine Anpassung der Leistungsbewilligung unter Berücksichtigung von höheren Kosten Unterkunft und Heizung oder ein Hinweis auf die Unangemessenheit der Kosten der Unterkunft und Heizung der Klägerin erfolgte nach Aktenlage nicht.

Am 9. Dezember 2011 stellte die Klägerin einen Antrag auf Weiterbewilligung der Leistung zur Sicherung ...

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