Entscheidungsstichwort (Thema)

Gründungszuschuss. Ermessensfehlgebrauch. Ablehnung wegen Vermittlungsvorrang. Eingliederungsvereinbarung mit dem Ziel der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit. Voraussetzung der Bedürftigkeit. Unternehmensübernahme. Herbeiführung der Arbeitslosigkeit

 

Orientierungssatz

1. Wurde in einer Eingliederungsvereinbarung die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit vereinbart, stellt es einen Ermessensfehler dar, wenn später ein Antrag auf Gewährung eines Gründerzuschusses für die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit mit dem Verweis auf den Vorrang der Vermittlung in Arbeit abgelehnt wird.

2. Der Gründungszuschuss stellt keine eine Bedürftigkeit voraussetzende Sozialleistung dar, so dass die Gewährung eines Gründungszuschusses auch dann möglich ist, wenn die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit in der Übernahme eines bestehenden Unternehmens liegt (hier: Ingenieurbüro).

3. Der unverschuldete Eintritt der Arbeitslosigkeit ist kein Tatbestandsmerkmal, dessen Nichtvorliegen zum Ausschluss der Gewährung des Gründungszuschusses führt.

4. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem LSG Essen (L 16 AL 279/13) zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil wirkungslos.

 

Tenor

1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.06.2012 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Gewährung von Gründungszuschuss unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts ermessensfehlerfrei neu zu entscheiden.

2. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung eines Gründungszuschusses (im folgenden GZ) im Hinblick auf die vom Kläger zum 01.02.2012 aufgenommene hauptberufliche Tätigkeit als selbständiger Ingenieur.

Der am 09.04.19... geborene Kläger ist studierter Diplom-Ingenieur. Er war seit 1990 bei der Firma A. Abfall Entsorgungsgesellschaft Ruhrgebiet mbH, Essen beschäftigt. Ab Mai 2007 war der Kläger als Geschäftsführer in einer Tochtergesellschaft der AGR abgeordnet. Nachdem sich die AGR im März 2011 von dieser Beteiligung getrennt hatte, wurde der Kläger unter Streichung seiner Zulagen nur noch im Vertriebsinnendienst beschäftigt. Vor diesem Hintergrund meldete sich der Kläger im Mai 2011 bei der Beklagten und ließ sich von dem zuständigen Sachbearbeiter über die Möglichkeiten eines Gründungszuschusses bezüglich einer möglichen Selbständigkeit beraten. Gleichzeitig wurde in diesem Gespräch ein Vermittlungsprofil für den Zielberuf Projektleiter erstellt. Ein Arbeitsgesuch stellte der Kläger zu diesem Termin noch nicht.

Am 28.06.2011 kündigte der Arbeitgeber das Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger aus dringenden betriebsbedingten Gründen ordentlich und fristgerecht zum 31.12.2011. Zuvor war der Betriebsrat zu der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden und hatte der Kündigung nicht widersprochen. Der Kläger legte keine Kündigungsschutzklage ein und erhielt deshalb vom Arbeitgeber gemäß § 1a KSchG eine Abfindung für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses in Höhe eines halben Monatsverdienstes.

Er meldet sich bei der Beklagten fristgerecht arbeitslos/arbeitssuchend und beantragte am 20.12.2011 Arbeitslosengeld ab 01.01.2012. Die Beklagte schloss mit dem Kläger am 20.10.2011 eine Eingliederungsvereinbarung (EGV) mit dem Ziel "Integration in Arbeit als Projektleiter, alternativ Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit" und unterbreitete ihm zahlreiche Vermittlungsvorschläge, die jedoch alle erfolglos blieben. Zusätzlich bewarb sich der Kläger eigeninitiativ. Insgesamt schrieb er 38 Bewerbungen, aus denen zwei erfolglose Bewerbungsgespräche resultierten. In die EGV vom 20.12.2011 wurde dann seitens der zuständigen Sachbearbeiterin als Zielsetzung "Abgang in die Selbständigkeit" aufgenommen. Die Beklagte verpflichtete sich in dieser EGV wie folgt: "wir bieten Ihnen ggf. Finanzierung eines GZ bei Vorliegen der Voraussetzungen und nach Prüfung der Notwendigkeit und die Möglichkeit sich weiter freiwillig selber zu versichern". Als Bemühung des Klägers wurde festgehalten "Ich mache mich voraussichtlich zum 02.01.2012 selbständig mit der Übernahme eines Ingenieurbüros. Ich halte die Agentur für Arbeit über den Sachstand der Existenzgründung auf dem Laufenden. Ich beantrage GZ und ggf. die freiwillige Weiterversicherung und reiche die erforderlichen Unterlagen und den Fragebogen Existenzgründung umgehend ein".

Vor diesem Hintergrund stellte der Kläger am 20.12.2011 bei der Beklagten den Antrag auf Gewährung eines GZ zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit nach § 57 SGB III (a.F.) ab 01.02.2012 und fügte dem Antrag einen ausführlichen Businessplan, die Stellungnahme der fachkundigen Stelle zur Tragfähigkeit der Existenzgründung nach § 57 Abs. 2 Nr. 2 SGB III (a.F.) der Steuerberatungssozietät L. & W. sowie eine Bescheinigung des Finanzamtes über die Anzeige der Aufnahme einer freiberuflichen Tätigkeit i.S.d. § 18 EStG bei.

Mit Bescheid vom 27.02.2...

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