Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Besetzung des Gerichts bei Rechtsstreit über Bestimmungsbescheid zur ambulanten Krankenbehandlung nach § 116b Abs 2 SGB 5. Wirkung des Berücksichtigungsgebots. Krankenhausplanungsbehörde. Vermeidung von unverhältnismäßigen Auswirkungen auf vertragsärztliche Leistungserbringer. Koppelung der Bestimmung nach § 116b Abs 2 SGB 5 mit Befristung und Kontingentierung

 

Orientierungssatz

1. Über die Konkurrentenabwehrklage eines Vertragsarztes gegen die Bestimmung eines Krankenhauses zur ambulanten Krankenbehandlung gemäß § 116b Abs 2 SGB 5 entscheidet das Sozialgericht in der Besetzung nach § 12 Abs 2 S 1 SGG als Kammer für Angelegenheiten der Sozialversicherung mit je einem ehrenamtlichen Richter aus dem Kreis der Versicherten und der Arbeitgeber. Es handelt sich nicht um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts bzw der Vertragsärzte im Sinne von § 10 Abs 2, § 12 Abs 3 SGG.

2. Das Berücksichtigungsgebot des § 116b Abs 2 S 1 SGB 5 wirkt auf Grund des Wertgehalts der Grundrechte aus Artikel 3 Abs 1 in Verbindung mit Artikel 12 Abs 1 GG potentiell drittschützend. Erst wenn sich ein Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme auf die Berufsausübung der im selben Einzugsbereich die gleichen Leistungen erbringenden Vertragsärzte in qualifizierter und individualisierter Weise auswirkt, die über eine bloße Verschärfung des Konkurrenzdruckes hinausgeht, kann sich der potentiell drittschützende Gehalt des § 116b Abs 2 S 1 SGB 5 zu einem subjektiven Recht verdichten. Die über eine reine Konkurrenzbetroffenheit hinausgehende besondere Betroffenheit im Schutzbereich des Artikel 3 Abs 1 iVm Artikel 12 Abs 1 GG kann aus einem strukturell bedingten Wettbewerbsungleichgewicht zwischen Vertragsarzt und Krankenhaus resultieren.

3. Die Krankenhausplanungsbehörde hat auf Grund einer Abwägung dafür Sorge zu tragen, dass die unvermeidlichen Ungleichheiten im Wettbewerb zwischen vertragsärztlichen Leistungserbringern und Krankenhäusern noch von dem mit § 116b SGB 5 verfolgten gesetzgeberischen Anliegen gerechtfertigt sind und nicht zu unverhältnismäßigen Auswirkungen für die vertragsärztlichen Leistungserbringer führen.

4. Die Krankenhausplanungsbehörde kann die Bestimmung nach § 116b Abs 2 SGB 5 gegenständlich beschränken, mit einer Befristung koppeln und Kontingentierungen vorsehen. An die Herkunft der Patienten anknüpfende räumliche Beschränkungen sind dagegen grundsätzlich nicht gerechtfertigt.

5. Hinweis der Dokumentationsstelle des Bundessozialgerichts: Nachdem die Klage vor dem BSG zurückgenommen wurde, ist dieses Urteil wirkungslos.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 29.09.2011; Aktenzeichen B 1 KR 1/11 R)

 

Tenor

I. Der Bescheid vom 20.10.2009, Az. 34-5441.10-101/14, wird insoweit aufgehoben, als der Beklagte die Beigeladene zu 1 nach Nr. 1 zur ambulanten Diagnostik und Versorgung von Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren (ICD-10 GM C50 bis C58, D05.1) sowie nach Nr. 2 zur ambulanten Diagnostik und Versorgung anderer bösartiger Neubildungen nach ICD-10 GM C75.5, C75.8, C75.9, C76.3, C76.7, C76.8, C77 bis C80 bestimmt hat.

Der Beklagte wird verurteilt, insoweit über den Antrag der Beigeladenen zu 1 auf Bestimmung zur ambulanten Diagnostik und Versorgung gesetzlich krankenversicherter Patienten unter Beachtung der Rechtsaufassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 tragen der Kläger, der Beklagte und die Beigeladene zu 1 zu je 1/3.

III. Der Streitwert wird auf 60.000,00 EUR festgesetzt.

IV. Die Revision ist zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid des Beklagten zur Bestimmung des zu 1. beigeladenen Klinikums zur ambulanten Diagnostik und Versorgung von Patientinnen mit gynäkoonkologischen Erkrankungen.

Der Kläger ist Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt "Gynäkologische Onkologie". Er nimmt seit 01.07.2005 mit Praxissitz in C. an der vertragsärztlichen Versorgung teil und ist "Onkologisch verantwortlicher Arzt" nach der Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung krebskranker Patienten (Onkologie-Vereinbarung) zwischen der zu 7 beigeladenen Kassenärztlichen Vereinigung und den Landesverbänden der Krankenkassen sowie dem Verband der Ersatzkassen.

Die Beigeladene zu 1 ist Träger eines in den Krankenhausplan aufgenommenen Krankenhauses der Schwerpunktversorgung in C.. Bei der zu 5 beigeladenen Trägerin eines Medizinischen Versorgungszentrums mit gynäkologisch-onkologischen Schwerpunktpraxis handelt es sich um eine Tochtergesellschaft der Beigeladenen zu 1.

Auf den Antrag der Beigeladenen zu 1 vom 04.09.2007 bestimmte der Beklagte mit Bescheid vom 20.01.2009 die Beigeladene zu 1 gemäß § 116b Abs. 2 SGB V ab dem 01.02.2009 zur ambulanten Diagnostik und Versorgung von Patienten mit gastrointestinalen Tumoren und Tumoren der Bauchhöhle (ICD-10 GM C15, C16, C18, C20, C21, C25) sowie mit gynäkologischen Tumor...

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