Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. kindergeldberechtigte Bedarfsgemeinschaft. echtes Wechselmodell. Weiterleitung anteiligen Kindergeldes ohne rechtliche Verpflichtung an den nicht hilfebedürftigen Elternteil. kein Mangel an bereiten Mitteln. Bedarfsdeckung. Anrechnung

 

Orientierungssatz

1. Hält sich ein Kind im Wege des sog "echten Wechselmodells" ca hälftig bei beiden Elternteilen auf und reicht der kindergeldberechtigte Elternteil ohne rechtliche Verpflichtung Kindergeld anteilig an den nicht kindergeldberechtigten Elternteil weiter, so ist grundsätzlich von vollen bereiten Mitteln in der kindergeldberechtigten Bedarfsgemeinschaft auszugehen. Etwas anderes gilt nur, wenn und soweit das tatsächlich durchgereichte Kindergeld in der nicht kindergeldberechtigten Bedarfsgemeinschaft zur Deckung des Bedarfs des Kindes benötigt wird.

2. Das Kindergeld ist gemäß § 11 Abs 1 S 4 SGB II solange auf den Bedarf des Kindes anzurechnen, bis dieser gedeckt ist, unabhängig von der Anzahl der Aufenthaltstage des Kindes in der BG.

 

Tenor

I. Der Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 15.01.2014 und der Änderungsbescheid des Beklagten vom 15.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 03.03.2014 werden aufgehoben, soweit der Beklagte von der Klägerin zu 1 die Erstattung von 226,35 € fordert.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 5/6.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger wenden sich gegen die endgültige Leistungsfestsetzung für den Zeitraum Februar bis Juli 2013 und die Erstattungsforderung in Höhe von 272,91 € insbesondere Anrechnung des vollen Kindergeldbetrages in der Bedarfsgemeinschaft (BG) als Einkommen.

Die Klägerin zu 1 lebt mit ihrem am … 2007 geborenen Sohn, dem Kläger zu 2, seit dem 01.02.2013 getrennt von ihrem Ehemann bzw. dem Kindsvater und beide beziehen seither Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB II. für die Wohnung mit 55 Quadratmetern ist eine Bruttokaltmiete von 363,00 € zuzüglich Heizkosten von 75,00 € monatlich zu zahlen. Die Klägerin zu 1 bezieht für den Kläger zu 2 monatlich Kindergeld in Höhe von 184,00 €. Die Klägerin ist selbständig tätig mit einem Online-Shop und im Kosmetik-Bereich und absolvierte in der Zeit von Januar 2013 bis Januar 2014 eine Ausbildung zur Heilpraktikerin, die gemäß Bescheid des Landkreises Sächsische Schweiz vom 06.032013 bereits dem Grunde nach nicht nach dem BAföG förderfähig ist. Bei Stellung des Erstantrages gab sie im Rahmen der Erklärung über Einkommen aus selbständiger Tätigkeit an, dass sie die Einnahmen für die Zeit von Januar bis Juli 2013 mit 2072,00 €, die Ausgaben mit 2435,80 € prognostiziere und daher nicht mit Gewinn aus der Tätigkeit rechne. Verwertbares Vermögen über den Freibeträgen ist nicht vorhanden. Weiter teilte die Klägerin zu 1 dem Beklagten mit, dass der Kläger zu 2 im wechselnden Wochenrhythmus, nämlich in allen "ungeraden" Kalenderwochen bei seinem Vater lebe und nur in den "geraden" Kalenderwochen bei ihr und legte entsprechend markierte Kalenderblätter vor. Unterhalt wurde für den Kläger zu 2 durch den Vater nicht gezahlt. Für Zeiten, in denen der Kläger zu 2 sich bei seinem Vater aufhalte, beziehe er keine Sozialleistungen.

Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 20.03.2013 (Bl. 18 Gerichtsakte) bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen der Grundsicherung in Höhe von monatlich 918,29 € für die Zeit vom 01.02.2013 bis 31.07.2013, dabei der Klägerin zu 1 monatlich Regelleistungen sowie Alleinerziehungszuschlag in Höhe von 432,40 €, dem Kläger zu 2 Sozialgeld in Höhe von 122,89 € und beiden jeweils Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 181,50 €. Der Beklagte wies darauf hin, dass die Leistung nach Vorlage des Betriebsergebnisses endgültig festgesetzt werde. Das Kindergeld wurde bei den Klägern je zur Hälfte angerechnet (vgl. Berechnungsbogen Bl. 107 Verwaltungsakte), wobei bei der Mutter dieses Einkommen um die Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 € sowie die Beiträge zur Kfz-Versicherung in Höhe von 34,53 € monatlich bereinigt wurde, so dass nur ein Anrechnungsbetrag von 27,47 € verblieb.

Mit vorläufigem Bescheid vom 22.03.2013 (Bl. 23 Gerichtsakte) korrigierte der Beklagte die Bewilligung dahingehend, dass der Kläger zu 2 nur für die tatsächlichen Anwesenheitstage in der mütterlichen BG Leistung (Sozialgeld und Unterkunftskosten) erhielt, die hierdurch "offenen" Unterkunftskosten wurden der Klägerin zu 1 zugeschlagen. Als Einkommen rechnete der Beklagte bei der Klägerin zu 1 die Hälfte des Kindergeldes an, beim Kläger zu 2 von der weiteren Hälfte den sich nach monatlich tatsächlichen Anwesenheitstagen anteilig ergebenden Betrag. Somit erhielt die Bedarfsgemeinschaft für Februar, März und Juli 2013 monatlich vorläufig Leistungen in Höhe von 847,89 €, für April und Juni 856,69 € und für Mai 861,09 €. Die überzahlten Leistungen für Februar und März wurden zurückgefordert.

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