Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Sozialhilfe. Anspruch eines Heimträgers gegen den Sozialhilfeträger auf Abschluss einer vorläufigen Leistungsvereinbarung. Anordnungsanspruch. Bindungswirkung einer heimaufsichtsrechtlichen Anordnung. Reduzierung des Ermessens auf Null. keine Vorwegnahme der Hauptsache

 

Orientierungssatz

1. Die Bindungswirkung einer gegenüber dem Heimträger ergangenen heimaufsichtsrechtlichen Anordnung erstreckt sich auch auf den Sozialhilfeträger.

2. Einer vollziehbaren heimaufsichtsrechtlichen Anordnung ist insbesondere dann der Vorrang gegenüber sozialhilferechtlichen Überlegungen einzuräumen, wenn sie konkrete kostenrelevante Regelungen trifft.

3. Die vollziehbare heimaufsichtsrechtliche Anordnung reduziert den Ermessensspielraum des Sozialhilfeträgers für den Abschluss einer Leistungsvereinbarung auf "Null".

4. In der Verpflichtung zum Abschluss einer vorläufigen Leistungsvereinbarung liegt keine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache.

 

Tenor

I. Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, mit der Antragstellerin vorläufig für die Dauer von maximal einem Jahr ab dem 1. Januar 2013 eine Leistungsvereinbarung im Sinne des § 75 Abs. 3 Ziffer 1 (SGB XII) für die Wohnbereiche 7 (Haus 3) sowie die Wohnbereiche 8, 10a und 10b (Haus 4) im Wohnbereich für behinderte Menschen in S. abzuschließen, welche tagsüber in der Zeit von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr die Doppelbesetzung der genannten Wohnbereiche mit zwei Betreuungspersonen vorsieht.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Der Streitwert wird auf 125.000,00 € festgesetzt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes den Abschluss einer vorläufigen Leistungsvereinbarung für vier Wohnbereiche des Leistungstyps “Wohnen für erwachsene Menschen mit geistiger/Mehrfachbehinderung die tagsüber eine Besetzung mit zwei Betreuungspersonen erlaubt.

Die Antragstellerin betreibt in S. ein Wohnheim mit 118 Wohnplätzen für Menschen mit Behinderung. Die Betreuung erfolgt überwiegend mit interner Tagesstruktur. Darüber hinaus werden auch Plätze für das Wohnen von Menschen mit externer Tagesstruktur in Werkstätten für behinderte Menschen oder im sog. Förder- und Betreuungsbereich bereitgestellt.

Die Beteiligten schlossen am 01.04.2010 Vereinbarungen gem. §§ 75 ff. SGB XII getrennt für die Häuser I bis III und das Haus IV mit einer Laufzeit bis 30.06.2011 ab. Insoweit wurde u.a. die personelle Besetzung für die Tagesstruktur jeweils mit 1:7,88 vereinbart.

Mit Leistungsbeschreibung vom 09.06.2011 und dem zugehörigen Leistungs- und Vergütungsangebot beantragte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Personalschlüssel für die interne Tagesstruktur von 1:3 zusätzlich zu der rahmenvertraglichen Personalrelation. Mit Leistungsbeschreibung vom 12.12.2011 stellte die Antragstellerin vereinbarungsgemäß die Konzeption für die Leistungen im Bereich der internen Tagesstruktur nochmals dar.

Nach Begehung im Mai 2012 hat die Landesdirektion Sachsen, Dienststelle Leipzig, Fachbereich Heimaufsicht mit Bescheid vom 21.11.2012 folgende Anordnung erlassen:

“1. Durch den Träger des Heimes, die C. S. gGmbH, ist eine doppelte Personalbesetzung (ständige Anwesenheit von zwei Mitarbeitern) für die Betreuung der Bewohner im Haus 3, Wohnbereich 7 und Haus 4, Wohnbereiche 8 und 10a und 10b des Wohnheimes S. M. während der Zeiten von 7.00 Uhr bis 20.00 Uhr täglich ab dem 07.01.2012 zu gewährleisten.

2. Der Personaleinsatz auf dem intensivpädagogischen Wohnbereich hat entsprechend des dafür verhandelten Personalschlüssels zu erfolgen.

3. …„

In den betroffenen Wohnbereichen erfolgt die Betreuung ausschließlich in interner Tagesstruktur. Dabei verbleiben die Menschen mit Behinderung tagsüber auf ihrer Wohngruppe und werden nur zeitweise zu individuellen Fördermaßnahmen einzeln oder in Kleingruppen abgeholt.

Mit Schreiben vom 30.11.2012 forderten die Bevollmächtigten der Antragstellerin den Antragsgegner auf, auf Grundlage der heimaufsichtsrechtlichen Anordnung und eines daraus resultierenden Mehrbedarfes von 13,69 Vollkraftstellen für die genannten Wohnbereiche eine entsprechende Leistungs- und Vergütungsvereinbarung abzuschließen.

Dies lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 12.12.2012 unter Verweis auf den am 11.12.2012 gegen die heimaufsichtsrechtliche Anordnung eingelegten Widerspruch ab. Mit diesem Widerspruch beantragte der Antragsgegner gleichzeitig dessen aufschiebende Wirkung herzustellen bzw. die Vollziehung auszusetzen. Eine Entscheidung hierzu ist noch nicht ergangen.

Am 02.01.2013 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt.

Sie trägt vor, das Ermessen des Antragsgegners zum Abschluss einer Vereinbarung auf Grundlage des vorgelegten Leistungsangebotes sei auf Null reduziert. Sie sei durch die heimaufsichtsrechtliche Anordnung gezwungen, im Bereich der internen Tagesstruktur innerhalb der gege...

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