Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. Leistung zur Teilhabe. Treppensteighilfe. Bedarfsdeckungsgrundsatz. fehlender Bedarf bei zuvor beschaffter Leistung. Anwendbarkeit des § 15 SGB 9. selbstbeschaffte Leistung. nachträgliche Erstattung. vorherige Ankündigung und erfolglose Fristsetzung

 

Orientierungssatz

1. Zu den Leistungen der Eingliederungshilfe iS von § 53 Abs 1 SGB 12 zählt ua eine Treppensteighilfe.

2. Für deren Bewilligung ist ua das Bedarfsdeckungsdeckungsprinzip maßgeblich. War das Haus, in welches der Treppenlift eingebaut werden soll, vor der Entscheidung über die Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Einbau einer Aufzugsvorrichtung bereits behindertengerecht umgerüstet, so fehlt es im Zeitpunkt der zu treffenden Entscheidung über die Bewilligung an einem Bedarf für die begehrte Leistung.

3. Ein Zahlungsanspruch unter dem Aspekt der selbstbeschafften Reha-Leistung scheitert an dem für die Sozialhilfe maßgeblichen Bedarfsdeckungsgrundsatz. Danach ist Hilfe für die Vergangenheit nicht zu leisten.

4. Der Ausschluss der Erstattung selbstbeschaffter Leistungen in § 15 Abs 1 S 4 SGB 9 für den Bereich der Sozialhilfe gilt nur im Hinblick auf die Existenzsicherung nach dem dritten und vierten Kapitel des SGB 12, nicht dagegen für Leistungen der Eingliederungshilfe.

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der am 00.00.2012 verstorbenen Tochter K X begehrt die Kostenerstattung unter dem Aspekt der Leistungen der Eingliederungshilfe.

Die am 19.10.1990 geborene K X hatte eine Tumorerkrankung im Rückenmarkskanal. Sie war auf einen Rollstuhl angewiesen. Sie lebte zusammen mit ihrer Mutter N C und deren Ehemann in einem Einfamilienhaus, das im Jahre 1928 errichtet wurde. Das von der Tochter K benutzte Schlafzimmer befand sich im 2. Obergeschoss. Dorthin führte eine Wendeltreppe, die mit einem Scalamobil, einer Treppensteighilfe, ausgerüstet war, zu deren Bedienung eine Hilfsperson erforderlich war.

Am 08.04.2010 richtete der Ehemann der jetzigen Klägerin an einen Herrn S X1 vom Kreis Höxter eine Email, in der er diesen fragt, ob er ihm helfen könne, ob es Zuschüsse von der Fürsorgestelle für Umbauten und Anschaffungen eines Senkrechtlifts gebe. Am 14.04.2010 beantragte die Klägerin die Gewährung von Eingliederungshilfe für den Einbau einer Hubplattform außerhalb des Hauses und für einen Carport. Mit Schreiben vom 29.04.2010 wies der Beklagte darauf hin, dass für Maßnahmen der Wohnumfeldverbesserung die Pflegekasse zuständig sei. Der Antrag wurde entsprechend an den Integrationsfachdiensts Paderborn-Höxter weitergeleitet. Der dann am 05.05.2010 gestellte Antrag bei der Pflegekasse auf Leistungen zur Wohnumfeldverbesserung wurde mit Bescheid vom 11.05.2010 abgelehnt.

Am 20.05.2010 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für vier Maßnahmen, nämlich den Einbau eines Senkrechtaufzugs, den Einbau eines Außenhubliftes, den Umbau des vorhandenen Autos auf Handgas und die Erstellung eines Carports mit Pflasterarbeiten der Zufahrt. Der Einbau eines Senkrechtaufzugs wurde dabei unter Zugrundelegung eines Kostenvoranschlags mit 29.631 Euro beziffert.

Bei einem Ortstermin am 02.06.2010 wurde festgestellt, dass der beantragte Senkrechtaufzug bereits eingebaut worden war. Mit Schreiben vom 09.06.2010 teilte die Klägerin hierzu mit, dass das Unternehmen S1-U 0-M, dessen Geschäftsführer ihr Ehemann sei, Teile des Wohnhauses und des Gartenbereichs für Demonstrations- und Ausstellungsstücke gemietet habe. Der eingebaute Aufzug sei als Ausstellungsstück im Haus aufgestellt.

Mit Bescheid vom 28.07.2010 lehnte der Beklagte die Gewährung der beantragten Leistungen ab. Zwar gehöre die Antragstellerin zum Personenkreis des § 53 SGB XII, der grundsätzlich Anspruch auf Eingliederungshilfe habe. Der Antragstellerin habe ausweislich des Pflegegutachtens des MdK vom 17.03.2010 innerhalb des Hauses ein Treppensteiggerät, ein Scalamobil, zur Erreichung ihres Zimmers und des Badezimmers mit personeller Hilfe zur Verfügung gestanden. Die Notwendigkeit weiterer Baumaßnahmen wurde vom MdK verneint. Ferner wurde der Senkrechtlift bereits eingebaut, bevor der Antrag beschieden werden konnte.

Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Der Sachverhalt sei bereits durch die Email offengelegt und beantragt worden. Der Senkrechtaufzug sei notwendig, um das Haus eigenständig und ohne fremde Hilfe verlassen zu können, um zur Ausbildungsstelle beim Finanzamt gelangen zu können. Für die weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Schriftsatz vom 16.09.2010

Mit Widerspruchsbescheid vom 23.11.2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Email vom 08.04.2010 beinhalte lediglich eine kurze allgemeine Anfrage. Der Antrag sei am 14.04.2010 für einen Carport gestellt und am 20.05.2010 auf den Senkrechtaufzug erweitert worden. Bei dem Ortstermin am 02.06.2010 sei festgestellt worden, dass der Aufzug bereits installiert worden und das Scalamobil entfernt word...

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