Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilferecht: Leistungen für Asylbewerber. Gewährung von Sozialhilfeleistungen als Analogleistung bei längerer Aufenthaltsdauer eines Asylbewerbers. Kirchenasyl als rechtsmissbräuchliche Verlängerung der Aufenthaltsdauer

 

Orientierungssatz

Bei der Feststellung der mindestens 18 Monate währenden Aufenthaltsdauer eines Asylbewerbers zur Begründung eines Analoganspruchs auf Sozialhilfeleistungen statt der Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sind Zeiten eines Kirchenasyls jedenfalls dann nicht zu berücksichtigen, wenn der Asylsuchende das Kirchenasyl begann, nachdem er vollziehbar ausreisepflichtig war, ein gegen die Ausreisepflicht gerichteter einstweiliger Rechtsschutzantrag abgelehnt wurde und das Kirchenasyl eine geplante Abschiebung bzw. Überstellung in ein Drittland verhindern sollte. Denn in diesem Fall ist das Kirchenasyl im Sinne des Sozialhilferechts als rechtsmissbräuchliche Verlängerung des Aufenthalts anzusehen.

 

Tenor

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren darum, ob der Antragsteller die Gewährung von Leistungen gemäß § 2 AsylbLG beanspruchen kann.

Der am 00.00.1988 geborene Antragsteller ist afghanischer Staatsbürger. Am 31.12.2017 reiste er mit weiteren Familienangehörigen in die BRD ein. Am 02.01.2018 äußerte er erstmals ein Asylgesuch. Mit Bescheid des BAMF vom 27.03.2018 wurde der Asylantrag als unzulässig abgelehnt und die Abschiebung nach Italien angeordnet, da Italien für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage. Ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes wurde vom VG Düsseldorf durch Beschluss vom 19.07.2018 abgelehnt. Am 31.08.2018 teilte die Evangelische Kirchengemeinde H mit, dass der Antragsteller sich im Kirchenasyl befinde und im Gebäude der Evangelischen Kirchengemeinde in der L-straße 00 untergebracht sei. Am 04.09.2018 teilte das BAMF mit, dass die Evangelische Kirchengemeinde H um Vorlage eines Härtefalldossiers bis zum 01.10.2018 gebeten worden sei. Am 01.10.2018 teilte das BAMF mit, dass es nach eingehender Prüfung zu der Auffassung gelangt sei, dass im Falle des Antragstellers keine besonderen individuellen Härten vorlägen, die gegen eine Überstellung nach Italien sprächen. Mit Schreiben vom 04.10.2018 teilte die Evangelische Kirchengemeinde H mit, dass sich der Antragsteller weiterhin im Kirchenasyl befinde. Die für den 15.10.2018 geplante Rückführung des Antragstellers nach Italien fand nicht statt. Mit Urteil vom 15.02.2019 hob das Verwaltungsgericht Düsseldorf den Bescheid des BAMF wegen des Ablaufs der Überstellungsfrist vom 27.03.2018 auf. Am 17.04.2019 verließ der Antragsteller das Kirchenasyl. Ihm wurde eine bis zum 16.10.2019 gültige Aufenthaltsgestattung erteilt. Die Aufenthaltsgestattung wurde bis zum 13.04.2020 verlängert. Am 03.09.2020 wurde dem Antragsteller eine bis zum 02.03.2021 gültige Aufenthaltsgestattung erteilt. Mit Bescheid vom 08.07.2019 lehnte das BAMF den Asylantrag des Antragstellers, den Antrag auf Zuerkennung de r Flüchtlingseigenschaft sowie den Antrag auf Zuerkennung subsidiären Schutzes ab. Der Antragsteller erhob hiergegen Klage.

Am 26.05.2019 beantragte der Antragsteller die Gewährung von Leistungen gemäß § 2 AsylbLG bei der Antragsgegnerin. Mit Bescheid vom 17.08.2020 lehnte die Antragsgegnerin die Leistungsgewährung ab. Hiergegen legte der Antragsteller am 27.08.2020 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 15.09.2020 als unbegründet zurückgewiesen wurde. Die hiergegen am 01.10.2020 erhobene Klage wird unter dem Aktenzeichen S 8 AY 75/20 geführt.

Ebenfalls am 01.10.2020 hat der Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Zur Begründung führt er aus: Er gehöre zum leistungsberechtigten Personenkreis gemäß § 2 AsylbLG, da er sich ohne wesentliche Unterbrechung seit 18 Monaten im Bundesgebiet aufhalte. Es liege auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten vor. Die Inanspruchnahme des Kirchenasyls stelle kein rechtsmissbräuchliches Verhalten dar, da das Kirchenasyl sowohl von den Verwaltungsbehörden als auch von der Bundesregierung respektiert werde. Das Kirchenasyl stelle insbesondere in den Fällen des "offenen" Kirchenasyls weder ein rechtliches noch ein tatsächliches Abschiebehindernis dar. Im vorliegenden Fall sei der Antragsgegnerin der Aufenthaltsort des Antragstellers jederzeit bekannt gewesen. Auch wenn dem Antragsteller für die Zeit ab dem 09.09.2018 bis zum 16.04.2019 keine Bescheinigung über die Duldung mehr ausgestellt worden sei, so habe die Duldung aber für diesen Zeitraum fortbestanden. Soweit der Antragsteller sich im Zeitraum vom 14.04.2020 bis 02.09.2020 nicht im Besitz einer gültigen Aufenthaltsgestattung befunden habe, sei diese nicht gemäß § 67 AsylG erloschen. Das Asylverfahren sei weiterhin anhängig.

Der Antragsteller beantragt schriftsätzlich,

die Antragsgegnerin im Wege...

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