Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Regelungsanordnung. Anordnungsanspruch. Sozialhilfe. Hilfe zur Weiterführung des Haushalts oder abweichende Regelsatzfestsetzung. Bestehen eines entsprechenden Bedarfs trotz fehlender Pflegebedürftigkeit. Anordnungsgrund. Verhinderung einer stationären Unterbringung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anordnungsgrund kann im Rahmen von § 70 SGB XII bestehen, sofern ohne Gewährung der Hilfe zur Weiterführung des Haushalts ein Umzug in eine stationäre Einrichtung erforderlich ist. Sozialhilfe kann insofern nach § 15 Abs 1 S 1 SGB XII auch vorbeugend geleistet werden.

2. Hilfe bei der Weiterführung des Haushalts kann nicht über eine Erhöhung des Regelbedarfs nach § 27a Abs 4 SGB XII gewährt werden (Anschluss an und Weiterentwicklung von BSG vom 11.12.2007 - B 8/9b SO 12/06 R = SozR 4-3500 § 21 Nr 1, RdNr 16).

3. Durch die Änderung des Begutachtungssystems im Bereich des Sozialgesetzbuch XI und bei der Hilfe zur Pflege kann einerseits keine Pflegebedürftigkeit vorliegen und andererseits dennoch ein Hilfebedarf hinsichtlich der Hilfe zur Weiterführung des Haushalts bestehen.

 

Tenor

Der Antragsgegner wird im Wege einer einstweiligen Anordnung verpflichtet, an die Antragstellerin ab Antragseingang weitere Leistungen der Hilfe zur Weiterführung des Haushalts i. H. v. 142,16 € monatlich bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit dem Aktenzeichen S 17 SO 98/17 zu gewähren.

Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten um Leistungen der Hilfe zur Weiterführung des Haushalts im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes.

Die im Jahre 1933 geborene Antragstellerin lebte in einer eigenen Wohnung. Sie beantragte mit Schreiben vom 16.03.2017 Leistungen für Hauswirtschaft und Pflege im Rahmen einer abweichenden Regelsatzfestsetzung nach § 27a Abs. 4 SGB XII i. V. m. § 42 SGB XII oder Hilfe zur Weiterführung des Haushalts nach § 70 SGB XII. Sie müsse ohne die hauswirtschaftlichen und wenigen pflegerischen Hilfen ins Pflegeheim umziehen. Sie leide unter einem degenerativen LWS-Syndrom mit chronischen Schmerzen und unter eine Gonarthrose, die beide Knie betreffe. Sie könne sich nur eingeschränkt bücken. Belastungen wie die Haushaltsführung seien nur unter Schmerzen eingeschränkt durchzuführen. Durch eine beidseitige Mammacarzinomerkrankung bestünden zudem Beschwerden im Bereich beider Arme. Sie könne ohne fremde Hilfe kaum die Wohnung verlassen. Sie benötige zudem häufig Begleitung zu Arztbesuchen und Therapien. Zum Verbleib in der Wohnung bräuchte sie mindestens 10 Stunden wöchentlich Hilfe bei der Begleitung zu Ärzten und Therapien sowie hauswirtschaftliche Hilfe in Form von Grundreinigung, Betten beziehen, Wäsche waschen und bügeln sowie Begleitung bzw. Übernahme von Einkäufen. Hinzu kämen noch leichte pflegerische Hilfen beim Waschen. Das Hessische Amt für Versorgung und Soziales stellte bei ihr einen Grad der Behinderung von 50 fest.

Die Hilfen würden von einer selbstbeschafften Kraft erbracht, die sie für ihre Tätigkeit entschädigen müsste. Sie benötigte daher die Übernahme der entstehenden Kosten.

Den Antrag der Antragstellerin bei der Pflegekasse auf Pflegegeld lehnte diese mit Bescheid vom 28.03.2017 ab, da nach Begutachtung der Antragstellerin bei ihr kein Pflegegrad von 1 vorliege. Es gäbe geringe Beeinträchtigungen im Bereich der Mobilität sowie erhebliche Beeinträchtigungen im Modul Verhaltensweisen und psychische Problemlagen. Danach unterstützt eine private Pflegeperson die Antragstellerin bei der hauswirtschaftlichen Versorgung und begleitet die Antragstellerin beim Einkauf und zu Arztterminen. Eine Haushaltshilfe komme zur Grundreinigung der Wohnung und unterstütze diese beim Transfer in und aus der Dusche, da sich die Versicherte sicherer fühlt, wenn während des Duschens sich eine Person in der Nähe befindet. Treppensteigen kann die Antragstellerin lediglich überwiegend unselbstständig bewältigen. Bei Verhaltensweisen und psychischen Problemlagen stellte die Pflegegutachterin fest, dass die Antragstellerin häufig Ängste habe. Im Modul Haushaltsführung kann die Antragstellerin einfache Aufräum- und Reinigungsarbeiten überwiegend nur unselbstständig und aufwändige Aufräum- und Reinigungsarbeiten nur unselbstständig, d. h. nur mit fremder Hilfe, durchführen. Das Duschen und Baden einschließlich des Waschens der Haare könne überwiegend selbstständig ausgeführt werden. Zweimal monatlich besuche die Antragstellerin den Hausarzt. Den Neurologen bzw. den Psychiater sowie den Frauenarzt besuche sie einmal im Quartal. Ein Besuch beim Orthopäden erfolge bei Bedarf. Zum Verlassen des Bereichs der Wohnung benötige sie eine Hilfe durch eine Person. Fortbewegung außerhalb der Wohnung zu Fuß oder mit dem Rollstuhl sei auf allen Strecken nur mit personeller Hilfe möglich. Auch d...

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