Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. anderes Aufenthaltsrecht. Fortwirkung der Arbeitnehmereigenschaft. Bestätigung der Agentur für Arbeit über unfreiwillige Arbeitslosigkeit. Bindungswirkung

 

Leitsatz (amtlich)

Die von der Agentur für Arbeit ausgestellte Bestätigung über die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit gem § 2 Abs 3 S 1 Nr 2 FreizügG/EU (juris: FreizügG/EU 2004) ist für die Sozialgerichtsbarkeit bindend.

 

Tenor

I. Der Festsetzungs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 29.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2015 wird aufgehoben, soweit er sich auf den Monat Juli bezieht. Der Beklagte wird verpflichtet, der Klägerin Leistungen nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB II≫ in Höhe von weiteren 370 € für den Monat Juli 2015 zu gewähren.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III. Die Sache wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zur Sprungrevision zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von endgültigen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und die Erstattung vorläufig erbrachter Leistungen für den Monat Juli 2015.

Die 1974 geborene Klägerin ist rumänische Staatsangehörige und hält sich seit 2011 gewöhnlich in Deutschland auf.

Sie war in Deutschland mehrfach jeweils zwischen 1 und 3 ½ Monaten beruflich tätig. Zwischen März 2014 und Juni 2015 war sie in 5 verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen und insgesamt in dieser Zeit etwa 6 ½ Monate angestellt. Vom 07.05.2015 bis zum 02.06.2015 war die Klägerin bei der “R. GmbH„ beschäftigt.

Ausweislich der Vereinbarungen im Arbeitsvertrag vom 07.05.2015 war die Klägerin für eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 20 Stunden bei einem Stundenlohn von 8,20 € angestellt. Der Formulararbeitsvertrag enthielt Regelungen zu Krankheit, Urlaub, Kündigung sowie weiteren nebenvertraglichen Pflichten.

Mit Bescheid vom 15.05.2015 wurden der Klägerin für den Zeitraum vom 07.05.2015 bis 30.11.2015 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bewilligt. Insgesamt wurden der Klägerin für Juli 2015 355,58 € an Leistungen bewilligt. Zugrunde gelegt wurde ein Gesamtbedarf von 725,58 € (399,00 € Regelbedarf sowie 326,58 € Kosten der Unterkunft und Heizung). Davon wurde von dem vom Beklagten angenommenen Bruttoeinkommen der Klägerin in Höhe von ≪i.H.v.≫ 750 € (600 € netto) nach Abzug der Freibeträge ein Einkommen in Höhe von 370 € berücksichtigt.

Das Arbeitsverhältnis endete durch die Kündigung des Arbeitgebers mit Schreiben vom 02.06.2015 zum 10.06.2015.

Im Juli 2015 erzielte die Klägerin keinerlei Einkommen. Sie verfügte in diesem Monat auch nicht über verwertbares Vermögen.

Mit Bescheid vom 29.06.2015 wurden die Leistungen für die Monate Juni 2015 bis Juli 2015 endgültig festgesetzt und festgestellt, dass der Leistungsanspruch für Juni 2015 geringer und ab 01.07.2015 überhaupt nicht mehr gegeben sei. Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass die Klägerin ab 01.07.2015 infolge des Verlustes des Arbeitsplatzes nur noch ein Aufenthaltsrecht zum Zweck der Arbeitssuche habe und deswegen nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 SGB II vom Leistungsbezug ausgeschlossen sei. Sie sei daher für den Monat Juli 2015 i.H.v. 355,58 € überzahlt und habe diesen Betrag zu erstatten.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde von dem Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 01.10.2015 als unbegründet zurückgewiesen. Er hält an seiner im Festsetzungsbescheid geäußerten Ansicht fest. Aus den jeweils nur kurz ausgeübten Zeiten als Arbeitnehmerin ergäbe sich kein fortwirkender Status als Arbeitnehmerin, da eine tatsächliche Verbindung mit dem Arbeitsmarkt in Deutschland nicht gegeben sei.

Die Bundesagentur für Arbeit bescheinigte der Klägerin mit Schreiben vom 14.07.2016 die Unfreiwilligkeit der Arbeitslosigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 2 FreizügG/EU.

Mit ihrer Klage vom 09.10.2015 verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Ihrer Ansicht nach ergibt sich bereits aus den zahlreicheren von ihr ausgeübten Tätigkeiten eine Arbeitnehmereigenschaft, die mindestens 6 Monate ab dem Ende des letzten Beschäftigungsverhältnisses andauert. Darüber hinaus ergäbe sich ein Anspruch auch aus der aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden Pflicht des Beklagten, ein menschenwürdiges Existenzminimum sicherzustellen. Einkommen habe sie im Monat Juli 2015 nicht erzielt.

Die Klägerin beantragt

den Festsetzungs- und Erstattungsbescheid vom 29.06.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.10.2015. aufzuheben soweit er sich auf den Monat Juli bezieht und der Klägerin Leistungen nach dem Zweiten Buch in Höhe von weiteren 370 € für den Monat Juli 2015 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich im Wesentlichen auf sein Vorbringen Widerspruchsverfahren. Die Bescheinigung der Bundesagentur für Arbeit über die Unfreiwilligkeit der Arbeitsaufgabe binde den Beklagten nicht...

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