Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Rücknahme der Leistungsbewilligung wegen Bezugs einer russischen Altersrente für die Vergangenheit. keine Erstattung der zu Unrecht erbrachten Leistungen durch den Leistungsbezieher. Sperrwirkung des Erstattungsanspruchs des unzuständigen Grundsicherungsträgers gegenüber dem Sozialhilfeträger

 

Leitsatz (amtlich)

Erstattungsanspruch sperrt Rückforderung von Leistungen vom Leistungsempfänger.

 

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 31. Oktober 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 6. August 2015 wird aufgehoben, soweit der Kläger mehr als 8.460,81 EUR zu erstatten hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Streitig ist die Erstattung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende für den Zeitraum 1. Januar 2011 bis 31. August 2014 in Höhe von 28.562,61 EUR.

Der im März 1950 geborene Kläger und seine Ehefrau, die aus der ehemaligen Sowjetunion stammen, bezogen zusammen von November 1999 bis Dezember 2004 Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem früheren Bundessozialhilfegesetz vom Beigeladenen und anschließend bis April 2010 Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) vom Beklagten. Ab Mai 2010 wechselte die Ehefrau des Klägers dann in den Leistungsbezug zum Beigeladenen, während der Kläger weiterhin Arbeitslosengeld II vom Beklagten erhielt. Im Zusammenhang mit dem Sozialhilfebezug der Ehefrau fragte der Beigeladene im Juni 2010 und dann wieder im Februar 2014 nach dem etwaigen Bezug von Renten aus dem Bereich der GUS; eine Antwort erfolgte darauf nicht.

Offenbar aus Anlass der Anfrage des Beigeladenen im Februar 2014 meldete sich die Tochter des Klägers am 25. Februar 2014 beim beklagten Jobcenter und teilte mit, der Kläger habe seit Ende 2010 Anspruch auf eine russische Rente. Ende Juli 2014 wurde ergänzt, der Anspruch bestehe seit dem 60. Geburtstag des Klägers. Die Rente sei auf ein Konto in Russland überwiesen und von der Schwester des Klägers abgehoben worden, die die Rente als finanzielle Unterstützung behalten habe. Nun sei dieses Konto aufgelöst worden und die Rente werde nach Deutschland überwiesen. Am 26. August 2014 erhielt der Kläger auch eine Rentenzahlung für Januar bis September 2014 von 1.741,08 EUR überwiesen.

Der Beigeladene bewilligte dem Kläger ab August 2014 Hilfe zum Lebensunterhalt und erstattete dem Beklagten 346,76 EUR für diesen Monat.

Der Beklagte hob mit Bescheid vom 31. Oktober 2014 die Leistungsbewilligung vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2014 auf und forderte vom Kläger die Leistungen für diesen Zeitraum zuzüglich der Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung, insgesamt 28.582,61 EUR, zurück. Der Kläger beziehe seit 2011 eine russische Altersrente, so dass er von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sei. Er sei verpflichtet gewesen, diese Änderung mitzuteilen. Dieser Verpflichtung sei er zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Der Rentenbezug sei erst am 31. Juli 2014 mitgeteilt worden. Die fehlerhafte Bewilligung beruhe darauf.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 6. August 2015 zurückgewiesen. Ergänzend wurde ausgeführt, schutzwürdiges Vertrauen des Klägers liege nicht vor. Der Kläger sei bei Antragstellung ausführlich über seine Mitwirkungspflichten belehrt worden. Bei mangelnden Deutschkenntnissen hätte der Kläger Hilfe bei Verwandten oder Dritten einholen können und müssen. Das Verstehen der Dokumente falle allein in den Verantwortungsbereich des Klägers. Die Erstattungspflicht des Klägers trete auch hinter einen hypothetischen Erstattungsanspruch des Beklagten gegenüber dem Sozialhilfeträger zurück. Lediglich ein tatsächlicher Erstattungsanspruch wäre gegenüber der Erstattungspflicht des Klägers vorrangig.

Dagegen hat der Kläger durch seine damaligen Prozessbevollmächtigten am 8. September 2015 Klage zum Sozialgericht Augsburg erhoben. Die russische Rente sei erst 2011 zur Auszahlung gekommen. Bis 2014 habe sie die Schwester des Klägers behalten. Dem Kläger sei wegen mangelnder Deutschkenntnisse und ohne konkrete Nachfrage im Formular nicht bewusst gewesen, dass er die Zahlung der Rente hätte angeben müssen. Zudem sei er im gesamten Zeitraum bedürftig gewesen. Der Beklagte habe sein Ermessen nicht angemessen ausgeübt. Die Summe könne der Kläger ohnehin nicht zurückzahlen, allenfalls 100 EUR monatlich. Zudem sei eine Bestrafung im Strafverfahren zu erwarten und solle berücksichtigt werden.

Später sind noch Unterlagen zur Rentenhöhe und zur Auszahlung von 2011 bis 2013 übersandt worden.

Der Beklagte hat seine Entscheidung verteidigt.

Der nunmehr leistende Sozialhilfeträger ist mit Beschluss vom 16. Oktober 2015 beigeladen worden.

Eine vergleichsweise Regelung zwischen den Beteiligten ist in der mündlichen Verhandlung nicht zustande gekommen.

Für den Kläger wird beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 31. Oktober 2014 in der Ge...

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