Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch der Krankenkasse auf Auskunftserteilung und Erstattung überzahlter Rechnungsbeträge gegenüber dem Leistungserbringer im Wege der Stufenklage

 

Orientierungssatz

1. Im Wege der Stufenklage kann die Krankenkasse von einem Leistungserbringer Auskunft über Leistungs- und Abrechnungsvorgänge und Erstattung überzahlter Rechnungsbeträge verlangen, wenn Sachverhalte auf Unregelmäßigkeiten oder auf eine rechts- oder zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln im Zusammenhang mit den Aufgaben der Krankenkasse hindeuten.

2. Dem Anspruchsberechtigten ist nach der Rechtsprechung des BGH ein Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben zuzubilligen, wenn es die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen mit sich bringen, dass die Krankenkasse in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechtes im Ungewissen ist und der Leistungserbringer in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen.

3. Vom Auskunftsverlangen werden folgende Arten von Falschabrechnungen erfasst: die abgerechnete Leistung wurde tatsächlich nicht geliefert; es wurde eine andere, kostengünstigere Leistung an den Versicherten abgegeben; es wurde eine Leistung abgerechnet, die tatsächlich keine Kassenleistung ist; es wurde eine Leistung abgerechnet, deren Voraussetzungen auf dem Berechtigungsschein fälschlich oder unvollständig angegeben waren.

4. Einer Auskunftserteilung und der Vorlage von Unterlagen stehen datenschutzrechtliche Gründe nicht entgegen.

5. Über den im Rahmen der Stufenklage geltend gemachten Erstattungsanspruch kann gerichtlich erst nach der vom Leistungserbringer zu erteilenden Auskunft und einer eventuell erforderlich werdenden weiteren Aufklärung des Sachverhalts durch die Krankenkasse entschieden werden, wenn diese den Anspruch beziffert hat und der Leistungserbringer den Anspruch nicht anerkennt.

 

Tenor

Die Beklagte wird verpflichtet, Auskunft zu erteilen über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen die Beklagte im Abrechnungszeitraum 01.01.2001 bis 31.12.2003 Leistungen über Berechtigungsscheine sowie aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen für Versicherte der Techniker Krankenkasse (TK), der Barmer Ersatzkasse (Barmer) und der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) abgerechnet hat, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der betreffenden Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen, in denen zu den nachstehend aufgelisteten - nach Name und Geburtsdatum der Versicherten, Ausstellungsdatum der Verordnung (VO) oder des Berechtigungsscheins (BS) und der zuständigen Krankenkasse spezifizierten - Sehhilfenversorgungen folgende Angaben enthalten sind: - Befundwerte, (Fern- und Nahbereich; rechts und links; sphärisch, Zylinder; Achse; Prisma) inklusive Refraktionsprotokoll, - Grund der Abgabe der Sehhilfe, - Art und Umfang der erbrachten Leistung inklusive Fassungs- und Glashersteller, - die mit dem Versicherten abgerechnete Leistung, - Datum der Bestellung der Sehhilfe beim Lieferanten, sowie (aus dem jeweiligen Lieferschein des Lieferanten): - genaue Bezeichnung des gelieferten Artikels nach Artikelnummer, Artikelbezeichnung und Material, - technische Spezifizierungen und Werte des Artikels, wie z.B. Radien-Brechwert-Zylinder, Achse oder Durchmesser, - Anzahl der jeweils gelieferten Artikel.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu zwei Dritteln, die Beklagte zu einem Drittel.

Der Streitwert wird auf 29.500,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die klagende Techniker Krankenkasse (TK) begehrt von der Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über Leistungs- und Abrechnungsvorgänge des Versorgungszeitraums 2001 bis 2003 (1. Stufe) und die Erstattung gegebenenfalls überzahlter Rechnungsbeträge (2. Stufe).

Die Inhaber der Beklagten sind Augenoptiker. Sie versorgten in den Jahren 2001 bis 2003 krankenversicherte Mitglieder der Klägerin und acht weiterer gesetzlicher Krankenkassen (Ersatzkassen) - Barmer Ersatzkasse (Barmer), Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), Gmünder Ersatzkasse (GEK), Hamburgische Zimmerkrankenkasse (HZK) die Profikrankenkasse, Hamburg Münchener Krankenkasse (HMK), Handelskrankenkasse (HKK), Hanseatische Krankenkasse (HEK), Kaufmännische Krankenkasse (KKH) - mit Sehhilfen. Die HZK die Profikrankenkasse ist seit 01.07.2008 mit der GEK unter deren Namen vereinigt. Grundlage der Versorgung war (u.a.) der gemäß § 127 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 01.07.1994 bis 31.12.2003 geltende Vertrag zwischen dem Zentralverband der Augenoptiker (ZVA), dessen Mitglied der Beklagte ist, einerseits und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK)/Arbeiterersatzkassen-Verband (AEV) andererseits; VdAK und AEV sind seit 01.01.2009 im Verband der Ersatzkassen (VdEK), dessen Mitglied die Klägerin und die weiteren Ersatzkassen sind, zusammengeschlossen. In § 1 Abs. 2 des Vertrages war geregelt, dass die Vertragsleistungen entweder au...

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