Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch der Krankenkasse auf Auskunftserteilung gegenüber dem Leistungserbringer bei Auffälligkeiten anlässlich der Abrechnung erbrachter Leistungen

 

Orientierungssatz

1. Mit der Übertragung der Sehhilfenverordnung durch die Krankenkasse auf den Optiker ist das Vertrauen verbunden, dass dieser die Versorgung im Rahmen der allgemeinen Vorgaben erbringt.

2. Der Grundsatz von Treu und Glauben gebietet es, der Krankenkasse einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass die Kasse in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang ihres Rechts im Ungewissen ist, und der Optiker in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderliche Auskunft zu erteilen.

3. Der Erteilung der Auskünfte und Vorlage der Unterlagen stehen keine datenschutzrechtlichen Gründe entgegen.

4. Die regelmäßige Verjährungsfrist für Ansprüche aus Rechtsbeziehungen zwischen der Krankenkasse und dem Leistungserbringer beträgt vier Jahre. Diese beginnt mit Kenntnis der anspruchsbegründenden Umstände durch die Kasse.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.11.2013; Aktenzeichen B 3 KR 24/12 R)

 

Tenor

Der Beklagte wird verpflichtet, Auskunft zu erteilen über sämtliche Leistungs- und Abrechnungsvorgänge, in denen der Beklagte im Abrechnungszeitraum 01.01.2001 bis 31.12.2003 Leistungen über Berechtigungsscheine sowie aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen für Versicherte der Techniker Krankenkasse (TK), der Barmer Ersatzkasse (Barmer) und der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH) abgerechnet hat, durch Vorlage der diesbezüglichen Kundenunterlagen und -daten, insbesondere der betreffenden Auszüge aus der Kundendatei, Lieferscheine, Lieferantenrechnungen und Kundenrechnungen, in denen zu den nachstehend aufgelisteten - nach Name und Geburtsdatum der Versicherten, Ausstellungsdatum der Verordnung (VO) oder des Berechtigungsscheins (BS) und der zuständigen Krankenkasse spezifizierten - Sehhilfenversorgungen folgende Angaben enthalten sind: - Befundwerte, (Fern- und Nahbereich; rechts und links; sphärisch, Zylinder; Achse; Prisma) inklusive Refraktionsprotokoll, - Grund der Abgabe der Sehhilfe, - Art und Umfang der erbrachten Leistung inklusive Fassungs- und Glashersteller, - die mit dem Versicherten abgerechnete Leistung, - Datum der Bestellung der Sehhilfe beim Lieferanten, sowie (aus dem jeweiligen Lieferschein des Lieferanten): - genaue Bezeichnung des gelieferten Artikels nach Artikelnummer, Artikelbezeichnung und Material, - technische Spezifizierungen und Werte des Artikels, wie z.B. Radien-Brechwert-Zylinder, Achse oder Durchmesser, - Anzahl der jeweils gelieferten Artikel.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu zwei Dritteln, der Beklagte zu einem Drittel.

Der Streitwert wird auf 28.500,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die klagende Techniker Krankenkasse (TK) begehrt von dem Beklagten im Wege der Stufenklage Auskunft über Leistungs- und Abrechnungsvorgänge des Versorgungszeitraums 2001 bis 2003 (1. Stufe) und die Erstattung gegebenenfalls überzahlter Rechnungsbeträge (2. Stufe).

Der Beklagte ist Augenoptiker. Er versorgte in den Jahren 2001 bis 2003 krankenversicherte Mitglieder der Klägerin und acht weiterer gesetzlicher Krankenkassen (Ersatzkassen) - Barmer Ersatzkasse (Barmer), Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK), Gmünder Ersatzkasse (GEK), Hamburgische Zimmerkrankenkasse (HZK) die Profikrankenkasse, Hamburg Münchener Krankenkasse (HMK), Handelskrankenkasse (HKK), Hanseatische Krankenkasse (HEK), Kaufmännische Krankenkasse (KKH) - mit Sehhilfen. Die HZK die Profikrankenkasse ist seit 01.07.2008 mit der GEK unter deren Namen vereinigt. Grundlage der Versorgung war (u.a.) der gemäß § 127 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) vom 01.07.1994 bis 31.12.2003 geltende Vertrag zwischen dem Zentralverband der Augenoptiker (ZVA), dessen Mitglied der Beklagte ist, einerseits und dem Verband der Angestellten-Krankenkassen (VdAK)/Arbeiterersatzkassen-Verband (AEV) andererseits; VdAK und AEV sind seit 01.01.2009 im Verband der Ersatzkassen (VdEK), dessen Mitglied die Klägerin und die weiteren Ersatzkassen sind, zusammengeschlossen. In § 1 Abs. 2 des Vertrages war geregelt, dass die Vertragsleistungen entweder aufgrund vertragsärztlicher Verordnung oder aufgrund von Berechtigungsscheinen nach Maßgabe der Anlagen 1 und 2 abgerechnet werden konnten. Berechtigungsscheine stellten die Ersatzkassen ihren Versicherten auf Anforderung zur Verfügung; für die darauf bezogenen Leistungen war eine vertragsärztliche Verordnung nicht erforderlich.

Nach ihren Angaben erstmals im Jahre 2005 erhielt die Klägerin einen Hinweis einer Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) auf Auffälligkeiten und Fehler bei der Abrechnung von Sehhilfen durch Augenoptiker. Daraufhin begann die Klägerin mit der Überprüfung der Abrechnungen von Augenoptikern aus den Jahren 2001 bis 2003. Am 25.08.2005 schlossen die Ersatzkassen gemäß § 197a Fünftes Buch Sozialgesetzb...

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