Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitssuchende: Berücksichtigung einer Einkommenssteuererstattung und von Zinsen bei der Leistungsberechnung. Ermittlung des Tages der Antragstellung bei vorhergehendem Bezug von Arbeitslosengeld

 

Orientierungssatz

1. Ein Antrag auf Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende stellt eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung dar, die als solche auch hinsichtlich des beabsichtigten Zeitpunkts der Antragstellung auslegungsfähig und auslegungsbedürftig ist. Dabei ist bei der Auslegung zu berücksichtigen, dass bei einem Bezug von Arbeitslosengeld eine Antragsstellung im Rahmen der Grundsicherung regelmäßig erst für den Zeitpunkt des Wegfalls des Arbeitslosengeldanspruchs durch den Hilfesuchenden beabsichtigt ist.

2. Eine einmalige Einnahme (hier: Einkommenssteuererstattung) die vor Antragstellung für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB 2 zugeflossen ist, ist als Vermögen und nicht als Einkommen im Sinne des Sozialrechts anzusehen.Dies gilt auch dann, wenn der Zufluss innerhalb des Monats der Antragsstellung erfolgte, solange der Zeitpunkt des Zuflusses vor dem Zeitpunkt der Antragstellung liegt.

3. Zinszahlungen, die an einen Bezieher von Arbeitslosengeld 2 erfolgten, sind bei der Einkommensanrechnung nicht auf ein Kalenderjahr aufzuteilen, sondern in dem Monat als Einkommen anzurechnen, in dem sie ausgezahlt wurden bzw. soweit dies tatsächlich aufgrund der Nähe zum Monatsende nicht mehr möglich ist, im Folgemonat (Abgrenzung zu BSG, Urteil vom 9. August 2001, Az.: B 11 AL 15/01R).

 

Tenor

Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 04.01.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.05.2007 und Aufhebung des Bescheides vom 26.10.2007 verurteilt, der Klägerin SGB II-Leistungen für 12/06 bis 05/07 ohne Anrechnung eines Einkommens aus der Einkommensteuererstattung vom 20.11.2006 und unter Anrechnung eines Einkommens aus Zinseinkünften nur in 01/07 in Höhe von bereinigt 179,92 EUR zu gewähren.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten zu 9/10.

Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Anrechnung einer Einkommensteuererstattung sowie die Anrechnung einer Sparprämie und von Zinsen auf die Leistungen der Klägerin nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zweites Buch (II) - Grundsicherung für Arbeitsuchende - im Zeitraum November 2006 bis Mai 2007.

Die am 00.00.1979 geborene Klägerin lebt in einer eigenen Wohnung im Haus der Eltern. Kosten für Unterkunft fallen bei ihr nicht an. Sie verfügt außerdem über kein Kfz. Bis zum 30.04.2006 arbeitete sie nach einer Ausbildung zur Bürokauffrau als Sachbearbeiterin. Nach einem zwischenzeitlichen Bezug von SGB II-Leistungen erhielt sie mit Bescheid vom 07.08.2006 Arbeitslosengeld für den Zeitraum 23.05. bis 21.11.2006 zu einem täglichen Leistungssatz von 20,99 EUR. Ausweislich im Verwaltungsverfahren vorgelegter Kontoauszüge wurde das Arbeitslosengeld jedenfalls bis Oktober 2006 jeweils zum Monatsende in Höhe von 629,70 EUR überwiesen.

Am 14.11.2006 sprach die Klägerin bei dem Beklagten wegen SGB II-Leistungen vor. Die Einzelheiten des Gesprächs zwischen der Klägerin und dem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen N., sind streitig. Bei diesem Gespräch wurde der Klägerin unstreitig das SGB II-Antragsformular ausgehändigt. Außerdem wurde ihr auf einem Formular mit dem Titel "Anspruchsnachweis" aufgegeben, diverse Unterlagen und insbesondere einen Bescheid über das Arbeitslosengeld bis zum 24.11.2006 vorzulegen. Der Zeuge N. vermerkte auf Seite 1 des Antragsformulars im Feld "Tag der Antragstellung" den 14.11.2006. Mit Bescheid vom 15.11.2006 stellte das zuständige Finanzamt den Steuererstattungsbetrag der Klägerin für das Jahr 2005 mit 1.499,13 EUR fest. Dieser Betrag wurde dem Konto der Klägerin am 20.11.2006 gutgeschrieben. Am 22.11.2006 unterschrieb die Klägerin das SGB II-Antragsformular und am 24.11.2006 das Merkblatt über SGB II-Leistungen. Vom 24.11.2006 datiert eine Bescheinigung der Sparkasse Düren, die die Klägerin ebenfalls einreichte. Wann genau die Antragsunterlagen zur Akte gelangt sind, ist nicht bekannt. Laut Angaben der Klägerin belief sich ihr Vermögen unter Einbeziehung von Bargeld, Kontoguthaben und des Rückkaufswertes einer Lebensversicherung auf 2.462,03 EUR. Unter den eingereichten Unterlagen befanden sich auch Kontoauszüge, aus denen sich die Einkommensteuererstattung ergab.

Mit Bescheid vom 20.12.2006 hob der Beklagte "die Leistungsbewilligung" ab Januar 2007 auf. Der zugeflossene Einkommensteuerbetrag werde in Höhe von 249,85 EUR abzüglich eines Freibetrages von 30,00 EUR monatlich angerechnet. Am 29.12.2007 wurden der Klägerin eine Sparprämie (202,53 EUR) und Zinsen (7,40 EUR) für 2006 gutgeschrieben. Anlässlich einer Vorsprache der Klägerin am 02.01.2007 erklärte der Zeuge N. ausweislich eines von ihm und der Klägerin unterschriebenen Aktenvermerks, dass der Aufhebungsbescheid vom 20.12.2006 mangels eines vorangegangenen Bewilligungsbescheids als gegenstan...

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