Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtsbescheid. Anhörungsschreiben. Nachweis des Zugangs. Verletzung rechtlichen Gehörs. Zurückverweisung des Rechtsstreits

 

Leitsatz (amtlich)

1. Lässt sich nicht feststellen, dass das zum Zwecke der Anhörung vor Erlass eines Gerichtsbescheides verfügte Anhörungsschreiben einem Verfahrensbeteiligten zugegangen ist, ist der gleichwohl erlassene Gerichtsbescheid wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und im Berufungsverfahren aufzuheben. Es erscheint deshalb zumindest zweckmäßig, wenn nicht gar erforderlich, den Zugang der Anhörungsschreiben aktenkundig zu machen.

2. Hat das SG die Klage durch Gerichtsbescheid wegen des Fehlens einer Prozessvoraussetzung (hier einer Vollmacht) als unzulässig abgewiesen, ohne dass die vorherige Anhörung des seine Bevollmächtigung behauptenden Vertreters des Beteiligten nachgewiesen ist, ist es im Berufungsverfahren sachgerecht, den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, dass bei ordnungsgemäßer Anhörung die Prozessvoraussetzung nachgeholt und das SG in die Lage versetzt worden wäre, in der Sache zu entscheiden. Grundsätzlich ist es in einem solchen Fall nämlich nicht angezeigt, dass die Beteiligten sich erstmals im Berufungsverfahren zur materiellen Rechtslage äußern.

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 7. Dezember 2000 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht Kiel zurückverwiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger ist als Arzt für innere Medizin in W zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Er wendet sich gegen Prüfabstriche von den vertragsärztlichen Abrechnungen in den Quartalen I und IV/96.

Gegen die Bescheide des Prüfungsausschusses vom 2. September 1996 und 6. Mai 1997 legte Rechtsanwalt L jeweils Widerspruch ein und gab hierbei an, im Namen und mit Vollmacht des Klägers zu handeln. In der vom Beklagten dem Gericht übersandten Verwaltungsakte befindet sich keine Vollmacht des Klägers auf Rechtsanwalt L, der jedoch an der Sitzung des Beklagten am 28. Juli 1999 teilnahm und dort die Widersprüche mündlich begründete. Mit Bescheid vom 11. November 1999 half der Beklagte den Widersprüchen teilweise ab. Der Prüfabstrich wurde reduziert. Im Übrigen wurden die Widersprüche zurückgewiesen.

Hiergegen hat Rechtsanwalt L am 13. Dezember 1999 für den Kläger Klage vor dem Sozialgericht Kiel erhoben, ohne diese zu begründen. Mit Verfügung vom 12. Januar 2000 wurde er gebeten, eine Prozessvollmacht einzureichen. Diese Verfügung blieb -- ebenso wie eine Erinnerung vom 22. Mai 2000 -- unbeachtet. Mit weiterer Verfügung vom 2. August 2000 wurde er aufgefordert, die Prozessvollmacht bis zum 15. September 2000 vorzulegen. Gleichzeitig wurde ihm mitgeteilt, dass nach erfolglosem Ablauf der Frist die Klage ggf. durch Gerichtsbescheid als unzulässig abgewiesen werde. Auch diese Verfügung blieb innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist unbeachtet. Sie wurde nicht förmlich zugestellt.

Mit Gerichtsbescheid vom 7. Dezember 2000 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass eine von einem Vertreter ohne Vollmacht eingereichte Klage unzulässig sei.

Gegen diesen Rechtsanwalt L am 3. Januar 2001 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die im Namen des Klägers von Rechtsanwalt L eingelegte Berufung, die am 2. Februar 2001 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Rechtsanwalt L legt eine auf ihn ausgestellte Prozessvollmacht des Klägers von Mai 2001 vor und macht geltend, er habe bereits im Verwaltungsverfahren Vollmachten des Klägers auf sich vorgelegt, die auch zur Erhebung der Klage berechtigten. Die Verfügung des Sozialgerichts vom 2. August 2000 sei ihm nicht zugegangen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 7. Dezember 2000 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 11. November 1999 insoweit aufzuheben, als den Widersprüchen nicht abgeholfen wurde,

hilfsweise den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts für zutreffend und erklärte in der mündlichen Verhandlung, dass im Verwaltungsverfahren von Rechtsanwalt L vorgelegte Vollmachten versehentlich nicht zur Verwaltungsakte gelangt und daher dem Gericht nicht übersandt worden seien.

Die Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

 

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist im Sinne der Zurückverweisung des Rechtsstreits zur erneuten Entscheidung an das Sozialgericht...

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