Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Regelleistungsvolumen (RLV). gerichtliche Prüfung. Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkte. kein gesondertes Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren. Vergleich mit entsprechender Fachgruppe (hier: Urologen). fachgebietsspezifische wesentliche Leistung. Ausgestaltung der Honorarverteilungssystematik für Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Patientenzahl

 

Orientierungssatz

1. Einer gerichtlichen Prüfung von Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkten im Verfahren gegen die RLV-Mitteilung und den Honorarbescheid steht nicht entgegen, dass das HVM-Team einer Kassenärztlichen Vereinigung nicht in gesonderten Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren über die vorgebrachten Praxisbesonderheiten und Härtefallgesichtspunkte entschieden hat.

2. Die mangelnde Nachvollziehbarkeit der Berechnung eines RLV berührt nicht das Bestimmtheitsgebot nach § 33 Abs 1 SGB 10 (vgl LSG Schleswig vom 20.10.2015 - L 4 KA 39/13).

3. Es ist nicht zu beanstanden, dass ein Urologe mit der Fachgruppe der urologisch tätigen Vertragsärzte verglichen wird und dass sich sein Fallwert an dem durchschnittlichen Fallwert dieser Fachgruppe orientiert.

4. Ein Vertragsarzt hat keinen Anspruch darauf, dass sich die fachgebietsspezifischen wesentlichen Leistungen in der Höhe eines jeden einzelnen Behandlungsfalles und damit im RLV widerspiegeln (vgl zB BSG vom 11.12.2013 - B 6 KA 6/13 R = SozR 4-2500 § 87 Nr 19).

5. Eine Honorarverteilungssystematik muss so ausgestaltet sein, dass auch Vertragsärzte mit unterdurchschnittlicher Patientenzahl nicht gehindert würden, durch Erhöhung der Patientenzahl zumindest einen durchschnittlichen Umsatz zu erzielen (vgl zB BSG vom 17.7.2013 - B 6 KA 44/12 R = SozR 4-2500 § 87b Nr 2).

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 02.08.2017; Aktenzeichen B 6 KA 7/17 R)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 12. Februar 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Honorierung des Klägers für das Quartal I/2010. Die Honorierung des Klägers für die Quartale I/2009 bis VI/2009 und II/2010 ist in Parallelverfahren streitig.

Der Kläger ist als Facharzt für Urologie zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und betreibt seine Praxis in K.

Mit die Mitteilung vom 11. Dezember 2009 ändernder RLV-Mitteilung vom 1. Februar 2010 wurde dem Kläger ein Regelleistungsvolumen (RLV) in Höhe von 10.689,26 EUR zugewiesen. Dieses ergab sich aus der Multiplikation der am Quartal I/2009 orientierten RLV-relevanten Fallzahl des Klägers in Höhe von 520 mit dem arztgruppenspezifischen Fallwert der Arztgruppe in Höhe von 21,10 EUR und Anpassung mit dem arztindividuellen Morbiditätsfaktor. Die durchschnittliche RLV-relevante Fallzahl der Arztgruppe der Fachärzte für Urologie betrug 926,2.

Den Honoraranspruch des Klägers beschied die Beklagte mit Honorarbescheid vom 19. Juli 2010. Der Kläger erbrachte RLV-relevante Leistungen in einem Umfang von insgesamt 16.078,19 EUR, die in Höhe von 11.276,29 EUR vergütet wurden. Der Kläger hatte 513 RLV-relevante Fälle. Dem Kläger wurde zur Verlustbegrenzung auf 12 % ein Konvergenzzuschlag in Höhe von 1.711,45 EUR gewährt. Der Honoraranspruch betrug einschließlich eines radiologischen Zusatzbudgets insgesamt vor Abzug des Verwaltungskostenbeitrags 25.940,76 EUR.

Gegen die RLV-Mitteilung legte der Kläger am 1. März 2010 und gegen den Honorarbescheid am 23. Juli 2010 Widerspruch ein. Zusammengefasst begründete er die Widersprüche mit diversen Einwänden gegen die neue Honorarverteilungssystematik, die zu Honorarverlusten gegenüber 2008 führe. Er stellte Anträge auf Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten und Anerkennung eines Härtefalles wegen Honorarverlusten gegenüber 2008 in Höhe von insgesamt nunmehr 19,5 %. Die Berechnungen des RLV-Fallwertes seien nicht offen gelegt worden. Fallzahlzuwächse würden erst im Folgejahresquartal zu einem höheren RLV führen, nicht jedoch im Abrechnungsquartal. Er könne daher nicht sofort von Zuwächsen profitieren. Seine bereits in den Widersprüchen gegen die vorangegangenen Quartale vorgebrachten Qualifikationen würden zudem Praxisbesonderheiten begründen, die zu berücksichtigen seien. Im Übrigen sei die Grenze für die Anerkennung von Praxisbesonderheiten von 30 % auf 15 % abzusenken. Schließlich wandte er sich auch dagegen, im Rahmen der Honorarabrechnung trotz einer Konvergenzzahlung immer noch in unzumutbarer Weise Honorarverluste in Höhe von 2.977,73 EUR hinnehmen zu müssen. Für die weiteren Einzelheiten seines Vortrags wird auf die Widerspruchsschreiben in der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2010 wies die Beklagte die Widersprüche zurück. Die Beklagte erläuterte ausführlich die Honorarverteilungssystematik ab dem Quartal I/2009 unter Berücksichtigung der Regelungen im SGB V, der Beschlüs...

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