Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstweiliger Rechtsschutz. Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. Darlehen für eine nicht gezahlte Mietkaution und für Mietschulden. Bedarfsgemeinschaft. Drohende Wohnungslosigkeit. Recht zur Kündigung eines Mietvertrags

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Notwendigkeit zur Übernahme einer Mietkaution ist nur dann glaubhaft gemacht, wenn die Nichtzahlung der Kaution die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses rechtfertigt. Dies ist besonders begründungsbedürftig, wenn seit Fälligkeit der Forderung bereits erhebliche Zeit (hier: 24 Monate) verstrichen ist.

2. Zu den Voraussetzungen einer Mietschuldenübernahme.

 

Normenkette

SGB II § 22 Abs. 8; BGB § 569 Abs. 2a, 3 Nr. 2, § 314 Abs. 3; SGG § 86b Abs. 2

 

Tenor

1.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, zur Befriedigung der Mietrückstände der Antragstellerin zu 1) für die Wohnung E... S...weg ..., 2. OG rechts, U... vorläufig ein Darlehen in Höhe von 1.920,00 EUR für die Mietschulden zum Eingang der Räumungsklage am 20. Juli 2015 und einen Zuschuss für die noch nicht gezahlte Miete für den Monat August 2015 in Höhe von 640,00 EUR vorläufig zu erbringen und dies gegenüber den Vermietern bis zum 18. September 2015 zu erklären (Übernahmeerklärung). Der vorläufige Zuschuss für die Mietzahlung im August 2015 erfolgt gegenüber den Antragstellern unter Anrechnung des absehbaren Leistungsanspruchs in diesem Monat.

2.

Im Übrigen werden die Beschwerden auch hinsichtlich der Versagung von Prozesskostenhilfe für das sozialgerichtliche Verfahren zurückgewiesen.

3.

Der Antragsgegner trägt die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragsteller für das gesamte Verfahren.

4.

Den Antragstellern wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin B... bewilligt.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren über die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung (Mietschulden und laufende Kosten).

Die Antragstellerin zu 1) bewohnt mit ihren 1999 (Antragsteller zu 2) und im Februar 2015 (Antragstellerin zu 3) geborenen Kindern seit Mitte 2013 eine Wohnung im E... S...weg ..., 2. OG rechts in U..., für die eine Nettokaltmiete von 440,00 EUR, Nebenkosten von 100,00 EUR und Heizkosten von 100,00 EUR zu entrichten sind. Sie hat nach dem Elterngeldbescheid vom 22. April 2015 im Jahr vor der Geburt der Antragstellerin zu 3) aus eigener Erwerbstätigkeit als Pflegehelferin ein Bruttoeinkommen in Höhe von knapp 1400,00 EUR monatlich erzielt.

Die Antragstellerin zu 1) ist verheiratet. Der Ehemann hat sich Anfang des Jahres 2015 von ihr getrennt und ist im März 2015 ausgezogen. Inzwischen besteht kein Kontakt mehr zu dem Ehemann, Unterhalt wird nicht gezahlt. Die Antragstellerin zu 1) erhält Kindergeld für die beiden Kinder, Elterngeld in Höhe von 651,29 EUR monatlich und Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz in Höhe von 133,00 EUR monatlich (Bescheid vom 14. Juli 2015).

Einen von der Antragstellerin zu 1) am 11. Juni 2015 gestellten Leistungsantrag beim Antragsgegner hat sie nicht fortgeführt bzw. am Tag der Antragstellung eine Verzichtsverklärung unterzeichnet. Nach ihren Angaben im Beschwerdeverfahren habe sie damals verstanden, dass sie bei Antragstellung die Einkommensunterlagen von ihrem Ehemann vorlegen müsse, was ihr nicht möglich gewesen sei.

Für April und Juni bis August 2015 hat die Antragstellerin zu 1) die Miete nicht mehr gezahlt. Die Septembermiete ist unter dem Datum 16. September 2015 angewiesen worden. Die Wohnung ist inzwischen fristlos gekündigt worden und zwar sowohl wegen der Mitrückstände als auch wegen der nicht gezahlten Kaution. Die Räumungsklage der Vermieter ist am 20. Juli 2015 beim Amtsgericht Elmshorn eingegangen. Das Amtsgericht hat der Stadt Uetersen als dem möglicherweise zuständigen Träger der Sozialhilfe mitgeteilt, dass die Klage ausschließlich auf Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 569 Abs. 3 BGB gestützt sei und Mietrückstände in Höhe von 1.920,00 EUR geltend gemacht würden. Dieses Schreiben ist dem Antragsgegner am 14. August 2015 zugegangen.

Am 10. August 2015 hat die Antragstellerin zu 1) erneut einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) gestellt und die Übernahme der Mietschulden beantragt. Sie hat persönlich erklärt, dass sie in den letzten drei Monaten ausschließlich vom Elterngeld und Kindergeld gelebt habe und daher die Miete nicht habe zahlen können. Die mit Schreiben des Antragsgegners vom 10. August 2015 angeforderten Unterlagen (u.a. letzte Betriebskostenabrechnung, Vermieterbescheinigung, letzter Steuerbescheid, Unterhaltstitel) hat sie zunächst nicht vollständig einreichen können. Der Antragsgegner hat mit Schreiben vom 20. August 2015 weitere bzw. die noch fehlenden Unterlagen angefordert (u.a. geänderter Personalausweis, Krankenkassen...

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