1.1 Rechtslage ab 1.7.2023

 

Rz. 2

§ 15 regelt die Potenzialanalyse und die Erstellung von Kooperationsplänen ab 1.7.2023 nach dem Abschluss von Eingliederungsvereinbarungen nach früherem Recht (bis längstens 31.12.2023, vgl. § 65 Abs. 4) der Agenturen für Arbeit mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten. Wurde ein Jobcenter zwischen einem kommunalen Träger und einer Agentur für Arbeit als gemeinsame Einrichtung nach § 44b gebildet, führt diese die Potenzialanalyse durch und schließt gemäß § 44b Abs. 3 die Kooperationspläne ab. Wurde ein Landkreis oder eine kreisfreie Stadt als alleiniger kommunaler Träger zugelassen (§ 6a), obliegen dem Jobcenter des kommunalen Trägers die Potenzialanalyse und der Abschluss von Kooperationsplänen (vgl. § 6d). Mit dem Kooperationsplan beginnt im Anschluss an die Potenzialanalyse der Prozess der Umsetzung des zwischen der Integrationsfachkraft des Jobcenters und dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten verabredeten Planes zur Eingliederung in Arbeit, also die Umsetzung der Eingliederungsstrategie. Jedenfalls in den gemeinsamen Einrichtungen nach § 44b wird dieser Prozess mit dem Integrationsprozess nach dem 4-Phasen-Modell abgestimmt. Eine Eingliederungsvereinbarung genügte den rechtlichen Anforderungen nur, wenn sie auf einer individuell zugeschnittenen, konkreten Eingliederungskonzeption beruht (LSG Thüringen, Beschluss v. 12.1.2015, L 4 AS 1231/14 B ER). Solch strengen Anforderungen muss der Kooperationsplan nicht genügen, aber gleichwohl eine Eingliederungsstrategie spiegeln. Hierfür bildet die Potenzialanalyse die Grundlage.

 

Rz. 2a

Der Kooperationsplan des SGB II stellt ebenso wie der Eingliederungsplan und der Teilhabeplan im SGB IX und die Leistungsabsprache des SGB XII keinen öffentlich-rechtlichen Vertrag (§§ 53 ff. SGB X) dar. Die Einordnung der Eingliederungsvereinbarung im SGB II als subordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Austauschvertrag durch das BSG hat die Rechtsanforderungen an das Instrument der Eingliederungsvereinbarung in einem Ausmaß erhöht, das nach den Studien des IAB und der Prüfung des BRH in der Praxis in einer Vielzahl von Fällen nicht mehr rechtssicher umsetzbar war. Die sich aus der rechtlichen Einstufung ergebenden Anforderungen stellten angesichts der im Handeln zwischen Behörde und Bürger vorhandenen Asymmetrie eine rechtskonstruktive und praktische Überforderung aller Beteiligten dar. Diese Anforderungen verlangten eine umfassende Darstellung, das ausgewogene Vorhandensein von Leistung und Gegenleistung, die Dokumentation der Nachhaltung und Vollständigkeit und führten bei Rechtswidrigkeit einzelner Elemente zur möglichen Gesamtnichtigkeit. Daher wurde dieser Rechtsrahmen durch die Bürgergeld-Gesetzgebung aufgegeben.

 

Rz. 2b

Die Schaffung des Kooperationsplans als kooperatives Planungsinstrument entspricht dagegen der mit der Bürgergeldreform verfolgten kooperativen Beratungssituation, die in vertrauensvoller Zusammenarbeit auf individuelle Bedarfe eingeht und nicht mögliche Rechtsfolgen in den Mittelpunkt stellt (vgl. BT-Drs. 3873). Der Kooperationsplan sollte für beide Seiten rechtlich unverbindlich sein und selbst keine Grundlage für den Eintritt von Leistungsminderungen bieten. Das wurde aber im Gesetzgebungsverfahren für das Bürgergeld-Gesetz geändert (vgl. Abs. 5). Trotzdem kann der Kooperationsplan auf seine wesentliche Funktion als Instrument zur kooperativen Planung des Integrationsprozesses konzentriert werden und erleichtert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Dies greift aktuelle Ergebnisse der Wirkungsforschung auf, wonach die geltende „Funktionenvielfalt“ der Eingliederungsvereinbarung ihre Handhabbarkeit erschwere (unter Hinweis auf Sarah Bernhard u. a., Vertragsbeziehungen zwischen Jobcentern und Arbeitslosen: Eingliederungsvereinbarung aus Sicht von Arbeitsvermittlerinnen und Vermittlern – IAB-Forschungsbericht 2/2019, S. 32). Der Kooperationsplan wird gemeinsam durch die erwerbsfähigen Leistungsberechtigten und die Integrationsfachkräfte erarbeitet sowie klar und verständlich formuliert.

 

Rz. 2c

Nach Abs. 1 soll die Agentur für Arbeit unverzüglich zusammen mit jeder erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person die für die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit erforderlichen persönlichen Merkmale, die beruflichen Fähigkeiten und die Eignung feststellen (Abs. 1 Satz 1). Nach dem durch das Bürgergeld-Gesetz angefügten HS 2 haben sich diese Feststellungen auch auf die individuellen Stärken sowie wie zuvor darauf zu erstrecken, ob und durch welche Umstände die berufliche Eingliederung voraussichtlich erschwert sein wird (Potenzialanalyse). Tatsachen, über die die Agentur für Arbeit nach § 9a Satz 2 Nr. 2 SGB III unterrichtet wird, müssen nicht erneut festgestellt werden, es sei denn, es liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sich Umstände, die für die Eingliederung maßgebend sind, verändert haben (Abs. 1 Satz 2).

 

Rz. 2d

Der Eingliederungsprozess beginnt stets mit der Feststellung der individuellen Kompetenzen der erwerbsfähigen leistungsber...

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