Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. Investitionskostenvereinbarung. Kontrahierungszwang. Fehlen einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung. ordnungsgemäße Besetzung der Schiedsstelle. Plausibilität der voraussichtlichen Gestehungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der erstmalige Abschluss einer Investitionskostenvereinbarung nach § 75 Abs 5 S 3 SGB XII bedarf nicht der durch die Schiedsstelle nicht ersetzbaren Zustimmung des Sozialhilfeträgers nach § 76 Abs 2 S 4 SGB XII.

2. Eine Investitionskostenvereinbarung nach § 75 Abs 5 S 3 SGB XII setzt nicht den Abschluss einer Leistungs- und Prüfungsvereinbarung für die gesondert berechenbaren Investitionskosten voraus.

3. Die paritätische Besetzung der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII ist auch dann gewahrt, wenn ein Vertreter der Einrichtungsträger (Leistungserbringer) von den kommunalen Spitzenverbänden bestellt worden ist.

4. Wirkt ein Bediensteter im Sozialamt eines Sozialhilfeträgers als Vertreter der Einrichtungsträger (Leistungserbringer) an Entscheidungen der Schiedsstelle nach § 80 SGB XII mit, ist dies geeignet, Misstrauen gegen seine unbefangene Tätigkeit als Schiedsstellenmitglied zu rechtfertigen, und begründet damit die Besorgnis seiner Befangenheit.

5. Ein Schiedsspruch ist nur dann aufgrund der Mitwirkung eines befangenen Schiedsstellenmitglieds rechtswidrig, wenn der Ablehnungsgrund spätestens im gerichtlichen Verfahren von einer Vertragspartei geltend gemacht wird.

6. Umlagefähig sind Investitionsaufwendungen nur, sofern und soweit sie für den Betrieb der Pflegeeinrichtung entsprechend ihrem Versorgungsauftrag erforderlich sind.

7. Begehrt der Träger einer Pflegeeinrichtung eine Investitionskostenvereinbarung für einen ambulanten Pflegedienst, darf er in die Kalkulation der voraussichtlichen Gestehungskosten nicht Positionen einbeziehen, die nur für den Betrieb eines stationären Pflegeheims erforderlich sein können.

 

Tenor

I. Der Schiedsspruch der beigeladenen Schiedsstelle vom 6. November 2013 (Az.: 44-5011.50/341) wird aufgehoben.

II. Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen tragen der Kläger und die Beklagte je zur Hälfte.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist ein Schiedsspruch über die Höhe des Entgelts für gesondert berechenbare Investitionskosten.

Die beklagte GmbH betreibt einen ambulanten Pflegedienst, den ihre Inhaberin ursprünglich einzelkaufmännisch geführt hat und für den diese über eine Zulassung nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) verfügt, in die die Beklagte nach dem Trägerwechsel mit Zustimmung der Pflegekassenverbände eingetreten ist (Versorgungsvertrag ab 15.12.2004, Sitzverlegung nach R... im Juni 2012, Umwandlung in eine GmbH im August 2014, Sitzverlegung nach A... im Juli 2017).

Bei dem klagenden örtlichen Sozialhilfeträger bemühte sich die Inhaberin des beklagten Pflegedienstes (im Folgenden: die Beklagte) im Jahr 2012 mehrfach um den Abschluss einer Vereinbarung über die gesondert berechenbaren Investitionskosten. Nach dessen wiederholter Ablehnung, zuletzt mit Schreiben vom 28.01.2013, rief die Beklagte am 22.02.2013 die beigeladene Schiedsstelle an. Die Beklagte war der Ansicht, für ihre landesrechtlich nicht geförderte Pflegeeinrichtung habe sie Anspruch auf Übernahme der betriebsnotwendigen Investitionsaufwendungen aus § 75 Abs. 5 Satz 3 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 82 Abs. 4 SGB XI. Der Kläger meinte dagegen, § 75 Abs. 5 Satz 3 SGB XII räume dem zuständigen Sozialhilfeträger Ermessen ein, das er seit 2004 dahingehend ausübe, dass er aufgrund der vorhandenen zahlenmäßig ausreichenden und leistungsfähigen pflegerischen Versorgungsstruktur dem Abschluss von Vereinbarungen nicht mehr zustimme; darüber hinaus widersprächen die von der Beklagten geltend gemachten Kostenposten einem ambulanten Pflegedienst, und für ein stationäres Pflegeheim sei er als örtlicher Sozialhilfeträger nicht zuständig.

Die Schiedsstelle befand in der (ersten) mündlichen Verhandlung vom 04.09.2013, für den Antrag der Beklagten auf Einleitung eines Schiedsverfahrens zuständig zu sein; um über den Antrag zu entscheiden, bedürfe es aber noch der Vorlage von Unterlagen. Die Beklagte legte den Versorgungsvertrag für ambulante Pflege nach § 72 SGB XI mit den Pflegekassenverbänden, eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 3 SGB XII zur Übernahme von Investitionsaufwendungen gemäß § 82 Abs. 4 SGB XI mit der Landeshauptstadt A... vom März 2013 und Unterlagen zur Kalkulation der Investitionskosten vor.

Aufgrund der (zweiten) mündlichen Verhandlung vom 06.11.2013 nahm die Schiedsstelle mit Schiedsspruch vom selben Tag den Antrag der Beklagten an, den Kläger zu verpflichten, mit der Beklagten ab 01.03.2013 bis zum 28.02.2014 eine Vereinbarung nach § 75 Abs. 5 SGB XII i.V.m. § 82 Abs. 4 SGB XI in Höhe eines Investitionskostenanteils von 3,3 % der gegenüber den Pflegebedü...

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