Entscheidungsstichwort (Thema)

Überlanges Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren. Entschädigungsklage. Schlüssigkeit aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht erforderlich. Vorbereitungs- und Bedenkzeit. 3 Monate für Kostenfestsetzungsverfahren. 12 Monate für Erinnerungsverfahren. tatsächliche Schwierigkeiten bei zeitintensiver Befassung mit Schriftsätzen. keine Unterbrechung von inaktiven Zeiten bei bloßer Beantwortung von Sachstandsanfragen und Verzögerungsrügen. keine Kompensation für verlorenes Hauptsacheverfahren. symbolische Genugtuung. ausreichende Feststellung der Überlange

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Schlüssigkeit des Klagevorbringens ist keine Voraussetzung für den sachlichen Erfolg einer Entschädigungsklage vor Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit.

2. Dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist bei der Kostenfestsetzung nach § 197 Abs 1 SGG in der Regel eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 3 Monaten einzuräumen (Anschluss an LSG Neustrelitz vom 8.6.2016 - L 12 SF 9/14 EK AS = juris RdNr 17).

3. Dem Richter ist im Erinnerungsverfahren nach § 197 Abs 2 SGG regelmäßig eine Vorbereitungs- und Bedenkzeit von 12 Monaten zuzubilligen (Abgrenzung zu LSG Neustrelitz vom 11.11.2015 - L 12 SF 23/14 EK AS = juris RdNr 19).

4. Begehrt ein Entschädigungskläger eine symbolische Genugtuung genügt die bloße Feststellung der Überlänge des Ausgangsverfahrens.

 

Orientierungssatz

1. Entschädigungsklageverfahren dienen weder direkt noch mittelbar dem Ersatz für zu Ungunsten des Beteiligten ausgegangene Ausgangsverfahren und stellen insoweit auch keine "symbolische Kompensation" für verlorene Verfahren dar.

2. Der Schwierigkeitsgrad des Ausgangsverfahren ist nicht als gänzlich geringfügig anzusehen, wenn sich aus der Art und Weise der Geltendmachung des Begehrens tatsächliche Schwierigkeiten in Form eines durchaus zeitintensiven Arbeitsaufwands ergeben (hier: 4 Kostenfestsetzungsanträge in einem Schriftsatz, welche sich zum Teil auf ein Verfahren bezogen, die mit weiteren Verfahren verbunden waren).

3. Durch die Beantwortung von Sachstandsanfragen und Verzögerungsrügen des Klägers werden Zeiten gerichtlicher Inaktivität nicht unterbrochen, wenn die gerichtlichen Schreiben keine das konkrete Ausgangsverfahren fördernden Prozesshandlungen beinhalten.

 

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Dauer der Kostenfestsetzungs- und -erinnerungsverfahren S 12 AS 3890/07 (S 12 SF 44/13 E), S 12 AS 1545/09 (S 12 SF 46/13 E), S 12 AS 5104/09 (S 12 SF 45/13 E) und S 12 AS 326/11 ER (S 12 SF 47/13 E) vor dem Sozialgericht Dresden unangemessen war. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 1.900,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt Entschädigung für die Dauer von 4 Kostenfestsetzungs- und Erinnerungsverfahren, die jeweils nach Erledigung der Hauptsachen vor dem Sozialgericht Dresden (SG) anhängig waren.

Der Kläger stand im Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) bei der SGB II-Arbeitsgemeinschaft A... (später: Jobcenter A...). Er führte - nicht durch einen Rechtsbeistand vertreten - verschiedene Klage- und Eilverfahren vor dem SG gegen das Jobcenter A... bzw. das Hauptzollamt A... und die Bundesagentur für Arbeit (BA), in denen jeweils einzelne Leistungsbestandteile der Grundsicherungsleistungen (insbesondere Höhe der Kosten der Haushaltsenergie, der Kosten zur Warmwasseraufbereitung und der Anrechnung von Betriebskostengutschriften im Wege der rückwirkenden teilweisen Aufhebung und Erstattung) sowie Vollstreckungsmaßnahmen wegen einer Erstattungsforderung streitig waren. Im Einzelnen waren folgende Verfahren unter folgenden Aktenzeichen mit folgendem Begehren anhängig:

1. S 12 AS 3890/07

(Gegenstand: Bewilligungsbescheid vom 01.08.2007 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 26.10.2007 in der Fassung des Abhilfebescheides vom 19.12.2007; Leistungszeitraum: 01.08.2007 bis 31.01.2008; Begehren: höhere Kosten für Haushaltsenergie und kein Abzug der Warmwasserpauschale)

2. S 12 AS 4130/08

(Gegenstand: Bewilligungsbescheid vom 31.01.2008 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 15.05.2008 und vom 17.05.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2008; Leistungszeitraum: 01.02.2008 bis 31.07.2008; Begehren: höhere Kosten für Haushaltsenergie)

3. S 12 AS 4182/08

(Gegenstand: Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.01.2008 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 07.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2008; Zeitraum: November 2006 und Februar 2008; Inhalt: Anrechnung von zwei Betriebskostengutschriften)

4. S 12 AS 5533/08

(Gegenstand: Bewilligungsbescheid vom 07.07.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2008; Leistungszeitraum: 01.08.2008 bis 31.01.2009; Begehren: höhere Kosten für Haushaltsenergie)

5. S 12 AS 1545/09

(Gegenstand: Bewilligungsbescheid vom 29.01.2009 in...

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