Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf. unabweisbarer laufender besonderer Bedarf. Aufwendungen für Besuchsfahrten zu dem im Ausland inhaftierten volljährigen Kind. kein Mehrbedarf mangels rechtlicher Verpflichtung. - siehe dazu anhängiges Verfahren beim BSG: B 14 AS 48/17 R

 

Orientierungssatz

Die Reisekosten für Besuchsfahrten zu dem im Ausland inhaftierten volljährigen Kind begründen mangels rechtlicher Verpflichtung keinen Mehrbedarf iS des § 21 Abs 6 SGB 2.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 28.11.2018; Aktenzeichen B 14 AS 48/17 R)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

II. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Erstattung von Fahrtkosten für Besuchsfahrten zu ihrer in P... (Ungarn) inhaftierten Tochter.

Die Klägerin bezog Leistungen (Arbeitslosengeld II-Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch -Grundsicherung für Arbeitssuchende- (SGB II).

Mit Bescheid vom 2. Juli 2009, geändert durch Bescheid vom 20. Oktober 2009 wurde der Klägerin für den Leistungszeitraum August 2009 bis Januar 2010, und mit Bescheid vom 12. Januar 2010 für Leistungszeitraum Februar 2010 bis Juli 2010 Alg II bewilligt. Die Bescheide wurden bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 7. Juni 2010 beantragte die Klägerin die Erhöhung ihrer Bezüge, da sie wegen der Inhaftierung ihrer Tochter in P... (Ungarn) erhöhte Aufwendungen gehabt habe. Sie sei einmal monatlich mit einem PKW von W... nach P... und zurück gefahren. Auch habe ein Anwalt für die Tochter bezahlt werden müssen. Hintergrund dieses Begehrens ist, dass die 1986 geborene Tochter der Klägerin, die nicht mehr im Haushalt der Klägerin lebte und zu welcher seit 2008 kein Kontakt mehr bestand, im Dezember 2009 in Ungarn in Untersuchungshaft genommen worden war.

Mit Bescheid vom 9. Juni 2010 lehnte der Beklagte die Übernahme der Kosten ab. Gegen die Ablehnung erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14. Juni 2010 Widerspruch.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen für den Zeitraum August 2010 bis Januar 2011. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Juli 2010 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 9. Juni 2010 als unbegründet zurück. Die Kosten für Anwalt, Gericht und Unterkunft der Tochter seien nicht übernahmefähig, da es sich hierbei um Kosten der Tochter und nicht der Klägerin handle. Fahrtkosten könnten ebenfalls nicht übernommen werden, da die Fahrten nur aus einer sittlichen Verpflichtung heraus erfolgten. Eine gesetzliche Verpflichtung zum Besuch der Tochter bestehe nicht. Es handele sich damit um keinen atypischen Bedarf.

Am 18. August 2010 hat der Onkel der Klägerin mit nicht Unterzeichnetem Fax Klage zum Sozialgericht Leipzig erhobenen. Eine unterzeichnete Erklärung, dass die Klage in ihrem Namen erhoben wurde, reichte die Klägerin nach.

Mit Urteil vom 10. Januar 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig. Die Nachreichung der Unterschrift sei ausreichend gewesen, da eine Unterschrift nicht zwingend vorausgesetzt werde. Auch sei eine Bevollmächtigung des Onkels nachgewiesen. Die Klage sei aber unbegründet. Vor dem 9. Februar 2010 habe es an einer Anspruchsgrundlage für den geltend gemachten Mehrbedarf gefehlt. Aber auch ab dem 9. Februar 2010 komme ein Anspruch der Klägerin nicht in Betracht. Zum einen seien die geltend gemachten Kosten solche der Tochter, da diese inhaftiert gewesen sei. Zum anderen habe die Klägerin aus einer rein sittlichen Verpflichtung heraus gehandelt. Dies löse keinen Mehrbedarf aus.

Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 3. Februar 2014 zugestellt. Am 3. März 2014 hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit welcher sie ihr Begehren weiter verfolgt. Sie habe Anspruch auf weitere Leistungen in Höhe von 3184,00 EUR. Die Klägerin sei nicht nur moralisch verpflichtet gewesen ihre Tochter zu besuchen, sondern auch von Rechts wegen. Die Tochter sei unschuldig inhaftiert und seelisch stark angegriffen und suizidgefährdet gewesen. Es sei Aufgabe der Klägerin als Mutter gewesen ihrer Tochter beizustehen und sie zu diesem Zwecke regelmäßig zu besuchen. Zwar sei die Tochter die Nutznießerin gewesen, die Aufwendungen seien aber der Klägerin entstanden. Die erforderlichen Mittel seien von der Mutter der Klägerin als Darlehen zu Verfügung gestellt worden.

Ihr seien folgende Reisekosten entstanden:

 Januar 2010

 292,70 EUR

 Februar 2010

 292,70 EUR

 März 2010

 287,70 EUR

 April 2010

 287,70 EUR

 Mai 2010

 287,70 EUR

 Juni 2010

 287,70 EUR

 Juli 2010

 287,70 EUR

 August 2010

 287,70 EUR

 September 2010

 287,70 EUR

 Oktober 2010

 262,32 EUR

 Dezember 2010

 164,07 EUR

 Januar 2011

 164,07 EUR

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 10. Januar 2014 sowie den Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 9. Juni 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1...

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