Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. hausarztzentrierte Versorgung. Bestimmung einer Schiedsperson für den Abschluss eines Vertrages. erstinstanzliche Zuständigkeit im sozialgerichtlichen Verfahren. Vertragsarztangelegenheiten. Zeitpunkt für die Erfüllung des gesetzlichen Quorums. Ausreichen der Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Für Verfahren, welche die Bestimmung einer Schiedsperson für den Abschluss eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung nach § 73b SGB 5 betreffen, ist nicht das Landessozialgericht nach § 29 Abs 2 SGG erstinstanzlich zuständig (Anschluss an LSG Halle vom 25.11.2010 - L 9 KA 2/10 ER KL).

2. Streitigkeiten um die Bestimmung der Schiedsperson für den Abschluss eines Vertrages zur hausarztzentrierten Versorgung sind Angelegenheiten des Vertragsarztrechts im Sinne des § 10 Abs 2 SGG.

3. Maßgeblich für die Erfüllung des in § 73b Abs 4 S 1 SGB 5 geforderten Quorums sind bei der Bestimmung einer Schiedsperson die Verhältnisse im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung.

4. Mit der "Vertretung" von mindestens 50 % der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte verlangt § 73b Abs 4 S 1 SGB 5 der Hausärztegemeinschaft eine bestimmte soziale Mächtigkeit ab. Diese kann nicht nur durch Mandatierungserklärungen für den Abschluss von Verträgen zur hausarztzentrierten Versorgung belegt werden, sondern auch durch Mitgliedschaften in der Hausärztegemeinschaft, sofern deren satzungsgemäße Aufgabe der Abschluss solcher Verträge ist.

 

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Streitig ist die Bestimmung einer Schiedsperson für den Abschluss eines Vertrages über die hausarztzentrierte Versorgung gemäß § 73b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Nachdem sich die Klägerin, eine bundesunmittelbare Krankenkasse, und der Beigeladene zu 1, ein regionaler Hausärzteverband, nicht auf einen Vertrag über die hausarztzentrierte Versorgung hatten einigen können - die Klägerin hatte einen Add-on-Vertrag vorgeschlagen, der Beigeladene zu 1 einen Vollversorgungsvertrag, über den die Klägerin nicht verhandeln wollte - , beantragte der Beigeladene zu 1 mit Schreiben vom 22.06.2009 die Einleitung eines Schiedsverfahrens und mit Schreiben vom 29.06.2009 bei der Beklagten die Benennung einer Schiedsperson. Die Klägerin hielt den Antrag des Beigeladenen zu 1 für unzulässig, da nach dessen Vertragsentwurf die Hausärztliche Vertragsgemeinschaft e.G. (HÄVG) Vertragspartner werden solle; zudem erfülle der Beigeladene zu 1 nicht die Anforderungen an eine Gemeinschaft im Sinne von § 73b Abs. 4 SGB V.

Mit Bescheid des Bundesversicherungsamts vom 27.08.2010 bestimmte die Beklagte den Beigeladenen zu 2 zur Schiedsperson in den Vertragsverhandlungen zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. Der Antrag des Beigeladenen zu 1 sei nicht deshalb unzulässig, weil er ursprünglich die HÄVG als Vertragspartner habe einbeziehen wollen. Entscheidend sei allein, dass der Beigeladene zu 1 seinen Anspruch auf Vertragsschluss nicht habe durchsetzen können. Gerade aus der bislang nicht erzielten Verständigung resultiere der Schlichtungsbedarf. Die Voraussetzungen für die Bestimmung einer Schiedsperson lägen vor. Der Beigeladene zu 1 sei eine Gemeinschaft im Sinne von § 73b Abs. 4 SGB V, da er über die Hälfte der an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Allgemeinärzte im Bezirk der Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) Sachsen vertrete. Für die Bestimmung des Begriffes “Allgemeinarzt„ in § 73b Abs. 4 SGB V sei auf § 73a Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 SGB V abzustellen. Ausgehend hiervon repräsentiere der Beigeladene zu 1 50,05 % der Allgemeinärzte im KÄV-Bezirk Sachsen. Für die Wahl des Beigeladenen zu 2 sei maßgeblich gewesen, dass dieser aufgrund seiner früheren beruflichen Positionen über die notwendige Sachkenntnis sowie umfassende praktische Erfahrung für die Wahrnehmung der Aufgabe einer Schiedsperson verfüge.

Gegen die Bestimmung des Beigeladenen zu 2 als Schiedsperson hat die Klägerin am 29.09.2010 beim Sozialgericht Dresden (SG) Klage erhoben.

Mit Beschluss vom 15.10.2010 hat sich das SG für funktionell unzuständig erklärt und die Sache an das Sächsische Landessozialgericht (LSG) verwiesen. Wie das SG Magdeburg (Beschluss vom 03.09.2010 - S 1 KA 93/10 ER; Beschluss vom 20.09.2010 - S 1 KA 94/10) zutreffend entschieden habe, stelle die Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde eine Maßnahme der Aufsicht im Sinne des § 29 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dar. Dem stehe nicht entgegen, dass die Aufsichtsbehörde mit der Einsetzung einer Schiedsperson nach § 73b Abs. 4a Satz 2 SGB V eine Maßnahme nicht ausschließlich gegenüber der ihrer Aufsicht unterstehenden Körperschaft treffe. Es gehöre zu den Kernaufga...

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