Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltpunkte für Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 und in § 307d SGB 6

 

Orientierungssatz

1. Zum Leitsatz vgl BVerfG vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 = BVerfGK 12, 81.

2. Auch im Hinblick auf den in § 307d SGB 6 geregelten Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht ersichtlich.

 

Leitsatz (amtlich)

§ 70 Abs 2 S 2 SGB VI iVm Anl 2b SGB VI ist verfassungsgemäß.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 19. Mai 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Zahlung einer höheren Altersrente für Frauen ab 1. August 2015 unter Berücksichtigung höherer Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten neben gleichzeitigen Pflichtbeitragszeiten für eine pflichtversicherte Beschäftigung hat.

Die am ... 1951 geborene Klägerin ist die Mutter der am ... 1976, am ... 1979, am ...1982 und am ... 1988 geborenen Kinder K..., L..., M... sowie N... und bezieht aufgrund Rentenantrages vom 15. Juli 2015 Altersrente für Frauen seit 1. August 2015, die ihr mit Rentenbescheid vom 26. August 2015 bewilligt wurde. Der Rentenbescheid vom 26. August 2015 wies – neben einem Nachzahlungsbetrag für den Zeitraum vom 1. bis 31. August 2015 in Höhe von 875,26 Euro – einen monatlichen Rentenzahlbetrag ab 1. September 2015 in Höhe von 875,26 Euro aus. Der Berechnung der Rente legte die Beklagte – neben 0,3912 persönlichen Entgeltpunkten mit dem aktuellen Rentenwert in Höhe von 29,21 Euro monatlich – 35,7508 persönliche Entgeltpunkte (Ost) mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) in Höhe von 27,05 Euro monatlich zu Grunde. Dabei begrenzte sie die zu berücksichtigenden Entgeltpunkte, die sich für Kindererziehungszeiten neben Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung in den Monaten März 1977 bis September 1978, März 1980 bis Oktober 1981, Januar 1984 bis März 1984, Juli 1984 bis November 1984, Januar 1989 und Januar 1990 bis April 1990 ergaben, auf die Höchstbeträge der Anlage 2b zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI), so dass für diese Zeiten die zusätzlichen Entgeltpunkte für Zeiten der Kindererziehung von monatlich 0,0833 Entgeltpunkten reduziert wurden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 17. September 2015 Widerspruch, monierte die unzutreffende Berücksichtigung der Fachschulausbildungszeit von September 1970 bis August 1973 und wandte sich gegen die Begrenzung der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten durch die Höchstgrenzen nach Anlage 2b SGB VI. Die Begrenzung der Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten auf die Höchstwerte nach Anlage 2b SGB VI verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Insofern erscheine eine verfassungsgerichtliche Klärung erforderlich. Außerhalb des Widerspruchsverfahrens beantragte sie mit Schreiben vom 9. November 2015 die Berücksichtigung von Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld II im Zeitraum von Oktober (gemeint: September) bis Dezember 2008 sowie von Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug im Zeitraum von Januar 2009 bis Juli 2015.

Mit Rentenneufeststellungsbescheid vom 1. Dezember 2015 berücksichtigte die Beklagte die begehrten Zeiten der Fachschulausbildung von September 1970 bis August 1973 und des Bezugs von Arbeitslosengeld II von September bis Dezember 2008, sodass die Beklagte der Rentenberechnung (rückwirkend) ab 1. August 2015 – neben 0,4238 persönlichen Entgeltpunkten mit dem aktuellen Rentenwert in Höhe von 29,21 Euro monatlich – 37,1066 persönliche Entgeltpunkte (Ost) mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) in Höhe von 27,05 Euro monatlich zu Grunde legte. Daraus resultierte ein monatlicher Zahlbetrag der Rente ab 1. Dezember 2015 in Höhe von 908,92 Euro sowie eine Nachzahlung für den Zeitraum von August bis November 2015 in Höhe von 134,64 Euro.

Den Widerspruch im Übrigen wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2. März 2016 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Bewertung der Kindererziehungszeiten sei in § 70 Abs. 2 SGB VI geregelt. Beim Zusammentreffen von Kindererziehungszeiten mit anderen Beitragszeiten, seien die Entgelte nur bis zur Grenze der Anlage 2b SGB VI zu berücksichtigen. Dies sei geltendes Recht und verfassungsgemäß, wie das Bundessozialgericht (BSG) und das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in der Vergangenheit bereits mehrfach bestätigt hätten.

Die hiergegen am 24. März 2016 erhobene Klage hat das Sozialgericht Dresden mit Gerichtsbescheid vom 19. Mai 2017 abgewiesen: § 70 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sei eindeutig und nicht verfassungswidrig, wie das BVerfG bereits im Nichtannahmebeschluss vom 29. August 2007 (1 BvR 858/03) ausgeführt habe. Dadurch, dass mit Wirkung vom 1. Juli 2014, ohne Einzelprüfung, Müttern, die vor dem 1. Januar 1992 geboren hätten, für die zuvo...

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