Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Einkommensberücksichtigung. Abwrack- bzw Umweltprämie. zweckbestimmte Einnahme. Vermögensberücksichtigung. einstweiliger Rechtsschutz. Anordnungsgrund. Nachholbedarf

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei der Umweltprämie handelt es sich um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB 2, die einem anderen Zweck als die Leistungen nach dem SGB 2 dient und darüber hinaus die Lage der Hilfebedürftigen nicht ohne Weiteres so günstig beeinflusst, dass daneben Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht gerechtfertigt wären.

2. An die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes infolge von fortbestehendem Nachholbedarf sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen.

 

Orientierungssatz

Das mit Hilfe der Umweltprämie erworbene Neufahrzeug ist als zu verwertendes Vermögen nur dann zu berücksichtigen, wenn bei Berücksichtigung des Wertes eines angemessenen Fahrzeugs iS des § 12 Abs 3 S 1 Nr 2 SGB 2 zusätzlich der maßgebliche Vermögensfreibetrag nach § 12 Abs 2 S 2 Nr 1 SGB 2 überschritten wird.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 23. Dezember 2009 aufgehoben.

Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig für die Zeit vom 08.12.2009 bis 31.03.2010 zusätzlich 208,33 EUR monatlich Arbeitslosengeld II zu gewähren.

II. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin ihre außergerichtlichen Kosten in beiden Rechtszügen zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darum, ob der Antragsgegner und Beschwerdegegner (im Folgenden: Antragsgegner) zu Recht die Umweltprämie nach der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenkraftwagen vom 20.02.2009 als Einkommen auf den Bedarf der Antragstellerin und Beschwerdeführerin (im Folgenden: Antragstellerin) angerechnet hat.

Die 1980 geborene Antragstellerin ist alleinstehend und bezieht seit Januar 2005 Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Antragsgegner. Für die Zeit vom 01.07.2009 bis 30.09.2009 wurden ihr Leistungen in Höhe von 551,00 EUR monatlich gewährt (359,00 EUR Regelleistung sowie 91,78 EUR Kosten der Unterkunft und Heizung).

In ihrem Fortzahlungsantrag vom 08.09.2009 gab sie an, dass sie im letzten Bewilligungszeitraum ein Kraftfahrzeug erworben und hierfür die Umweltprämie in Anspruch genommen habe. Ausweislich des Ankaufscheins vom 05.03.2009 war ihr altes Fahrzeug (VW Golf, Baujahr 1997) zur staatlich geförderten Abwrackprämie von 2.500,00 EUR zur Verrechnung mit Neufahrzeug zu einem Preis von 0 EUR angekauft worden. Am 30.03.2009 wurde auf den Namen der Antragstellerin ein Fiat Grande Punto zugelassen. Nach dem Darlehensvertrag vom 31.03.2009 betrug der Fahrzeugpreis inklusive Nebenkosten 11.637,00 EUR. Abzüglich der Umweltprämie waren somit 9.137,00 EUR zu finanzieren.

Mit Bescheid vom 15.09.2009 bewilligte der Antragsgegner monatliche Leistungen für die Zeit vom 01.10.2009 bis 31.03.2010 in Höhe von 272,00 EUR. Die Abwrackprämie sei eine einmalige Einnahme und gemäß § 11 SGB II Einkommen. Diese einmalige Einnahme werde auf einen angemessenen Zeitraum auf die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts angerechnet. Da sie mit Zustimmung des Antragsgegners aus der gemeinsam mit ihrem Vater bewohnten Wohnung ausgezogen und zum 01.12.2009 einen Mietvertrag über eine eigene Wohnung abgeschlossen hatte, wurde der Bewilligungsbescheid vom 15.09.2009 mit Bescheid vom 25.11.2009 geändert und der Antragstellerin unter Berücksichtigung der geänderten Kosten der Unterkunft für die Zeit vom 01.12.2009 bis 31.03.2010 monatliche Leistungen in Höhe von 454,00 EUR gewährt.

Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, weil zweckbestimmte Einnahmen nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Dies treffe auf die Abwrackprämie zu, da ihr das Geld nicht zur freien Verfügung gestanden habe, sondern ausschließlich zum Kauf eines PKW eingesetzt worden sei. Gleichzeitig fragte sie an, ob die Abwrackprämie nicht auf einen größeren Zeitraum aufgeteilt werden könne, da sie momentan ihren Lebensunterhalt mit den Leistungen nach dem SGB II nicht bestreiten könne.

Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 24.11.2009 zurück. Die gewährte Umweltprämie sei mit einem monatlichen Betrag in Höhe von 208,33 EUR als Einkommen leistungsmindernd angerechnet. Nach § 11 Abs. 1 SGB II sei Einkommen alles, was der Leistungsempfänger während des Leistungsbezuges wertmäßig dazubekomme. Entweder erhalte er im Monat der Bewilligung eine Leistung in Höhe von 2.500,00 EUR oder der Kaufpreis werde um 2.500,00 EUR gemindert. Letzteres stelle gleichfalls einen wirtschaftlichen Vorteil dar. Die Zweckbestimmung der Umweltprämie allein reiche nicht aus, um sie von der Anrechnung freizustellen. Weitere und ebenso notwendige Voraussetzung sei, dass sie die Lage des Hilfebedürftigen nicht so günstig beeinflusse, dass daneben Leistungen nach diesem Buch nicht gerechtfertigt wären. Die einmalige Einnahme in Höhe v...

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